: BKA-Brandgutachten belastet Eid
Die neue Expertise des Bundeskriminalamts zum Brandanschlag in Lübeck stützt sich auf eine Computersimulation. Der Aussagewert dieser Methode ist unter Experten umstritten ■ Von Bascha Mika
Berlin (taz) – Gutachten hin, Experten her – der Prozeß zum Brand in der Lübecker Hafenstraße wird auf eine Indizienschlacht mit Sachverständigen hinauslaufen. Nach dem Brandgutachten des Landeskriminalamtes und einem Vorabgutachten des Bundeskriminalamtes (BKA) liegt jetzt die endgültige Expertise des BKA vor.
Sie stützt die Position der Staatsanwaltschaft, die von einer Brandlegung im Inneren des Hauses ausgeht. Doch das Gutachten basiert auf einer „rechnergestützten Brandsimulation“ – einer Methode, die bei der Analyse von Bränden noch wenig erprobt ist. Selbst die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich angezweifelt, daß ein Computerszenario wichtige Erkenntnisse bringen könnte.
Bei dem Anschlag auf das Lübecker Flüchtlingsheim waren im Januar zehn Menschen umgekommen. Die Ankläger glauben, daß der Libanese Safwan Eid, der mit seiner Familie im Haus wohnte, der Brandstifter ist. Der 20jährige Eid bestreitet die Tat. Mitte September wird er in Lübeck vor Gericht gestellt. Die neue Expertise vom 29. Juli geht davon aus – wie bereits das Gutachten des Landeskriminalamts und das Vorabgutachten des BKA –, daß das Feuer im ersten Stock des Heims entstand. Und zwar im Flur der rechten Wohnung vom Treppenhaus aus gesehen, da dort der „stärkste Abbrand“ festgestellt worden sei. Von da hätten sich die Flammen erst nach oben und dann nach unten gefressen.
Alles deute darauf hin, daß eine brennbare Flüssigkeit benutzt worden sei. Die Annahmen würden durch die Simulation gestützt. Ernst Achilles, ein unabhängiger Sachverständiger, den das Gericht bestellt hatte, war in seinem Vorabgutachten davon ausgegangen, daß das Feuer auch im Vorbau des Erdgeschosses ausgebrochen sein könnte. Dies werde durch den Computer nicht bestätigt, schreiben die BKA-Gutachter. Das endgültige Ergebnis von Achilles steht noch aus.
Im vorbeugenden Brandschutz, so der Berliner Brandgutachter Karl-Heinz Schubert, sei die Computersimulation ein „sehr gutes Hilfsmittel“. Unter anderem könnten Rauchentwicklung und -abzugsmöglichkeiten im Vorfeld errechnet werden. Wenig angewendet würde diese Methode allerdings, um die Ursache eines Brandes und seinen Verlauf im nachhinein zu rekonstruieren. Bei ihrer Simulation könne sich die Maschine nur auf die Daten stützen, die ihr vorab eingegeben würden – das heißt auf die Annahmen und Beobachtungen der Experten über das Brandgeschehen. Entsprechend falle dann auch das Ergebnis aus.
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