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Außerirdische Staatsfeinde, nette Bettelmönche

■ Mars und Weltall auf der Leinwand: Von der Jesuskopie bis zum schrecklichen Monster treten alle auf. Und vor allem die Amerikaner suchen phantasievoll nach neuen Welten und der „new frontier“

Sie nennen sich „Ufo-Spotters“, und „Roswell“ ist ihre Zauberformel: Millionen von Amerikanern sammeln unbeirrt „Röntgenaufnahmen“, Fingerabdrücke und „Augenzeugenberichte“, die beweisen sollen, daß wir nicht allein sind. In der Nähe von Roswell, einem kleinen Ort in New Mexico, ist 1947 ein Flugobjekt abgestürzt, über dessen Herkunft – soviel steht fest – die zuständigen Behörden ein seltsames Hineingeheimnissen veranstaltet haben. Letzten Sommer tauchte sogar ein 16mm-Film eines jetzt 82jährigen amerikanischen Kameramannes auf, der eine Autopsie an Außerirdischen gefilmt haben will. Nicht nur in Fernsehserien wie „X-Files“, „The Outer Limits“ oder „Dark Skies“, auch in dem Hollywood-Film „Independence Day“ wird das Thema Roswell wieder aufgegriffen. „Mars Attacks“, eine Produktion von Tim Burton, wird im Dezember starten. Auch im Internet finden sich mehrere zehntausend Einträge, wenn man „Martians“ (Marsianer) als Suchbegriff eingibt. Die Community tauscht weiter Indizien aus, die eine immer dichtere Erzählung darüber weben, was im All so alles lebt.

Ob es sich um einen Horror Vacui handelt, den die Religion hinterlassen hat, als sie die Himmel räumte, oder das Ende des Kalten Krieges – fest steht, es handelt sich um eine höchst amerikanische Angelegenheit, und zwar eine der fünfziger Jahre. Inzwischen stehen auf den Bestsellerlisten auch nicht mehr die neuesten Produkte des Cyberpunk, sondern Ray Bradburys „Mars Chroniken“ und passenderweise auch Newt Gingrichs „1945“.

Der Mars ist dabei womöglich eine Art neuer „Frontier“-Mythos, die nächste zu erobernde Grenze nach dem Mond. H.G. Wells' Erzählung spielt zwar im viktorianischen England, dennoch versetzte die Umsetzung in eine Radiosendung 1938 durch Orson Welles das Publikum in eine Massenpanik. In der Verfilmung aus den furchtsamen fünfziger Jahren warfen die Menschen mit allen nur erdenklichen Waffen, auch Atombomben, nach den Aliens – ohne Erfolg. Schließlich wird die Erde durch ein ganz normales Bakterium gerettet: ein Nachklang der Körperparanoia, die den eigenen Laboratorien nicht traut.

Die „Invasion der Körperfresser“ (1956) bevölkerte die Welt zunächst mit unmerklich veränderten „Humanoiden“, die Einwanderer waren unsichtbar. Im farbigen Remake von 1978 waren die Betroffenen plötzlich deutlich umgänglicher, sprachen von Selbstverwirklichung und völliger Glückseligkeit, wie überhaupt die Aliens der siebziger und achtziger Jahre oft wie New-Ageler redeten und mit einem standfesten und auch irgendwie ökologisch geleuterten Hippie-Bewußtsein ausgestattet waren.

Ihr sympathischster Vertreter war der kleine E.T. (1981), der mit langem Alienfinger zu erleuchten und mit feuchtem Auge auf seine Heimat irgendwo da draußen zu verweisen wußte. Natürlich, ähnelte er doch auf gewisse Weise den armen Bettelmönchen, oder dem armen Bettelmönch und Propheten Jesus, der unter uns weilt, unauffällig, angewiesen und von nicht unbedingt ansprechender Gestalt, und der prüft, ob wir ihm trotzdem helfen.

Inzwischen wird das vierte Sequel von „Alien“ verfilmt, einem Alptraum für eine Raumschiffpilotin (Sigourney Weaver), der es jeweils obliegt, die Welt, wie wir sie kannten, mit weiblicher Reproduktionskraft zu retten. Klar, daß der Film Generationen von feministischen Seminaren beschäftigt hat: schließlich gleicht der Entwurf, den die „Gender Studies“ vom modernen Menschen hervorgebracht haben, auch einem Alien.

Daß die neuen Aliens, wie sie in „Independence Day“ auftauchen, wieder Staatsfeinde und nicht Zivilisationskritiker sind, ist nur eins von vielen Indizien für die Rückkehr der Fifties. Mariam Niroumand

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