Irak steigt wieder ins Ölgeschäft ein

■ Nach der "rein humanitär" begründeten US-Zustimmung zur Lockerung des Embargos ist eine begrenzte, UN-überwachte Ölausfuhr des Irak wieder möglich. Die Interessenten stehen schon Schlange

Berlin (taz) – Erstmals seit dem Einmarsch in Kuwait vor sechs Jahren darf der Irak wieder Erdöl verkaufen. Die Führung des unter UN-Embargo liegenden Landes soll von dem Erlös Lebensmittel und Medikamente kaufen.

Am Mittwoch abend machte die US-Regierung den Weg für begrenzte irakische Ölverkäufe frei. Die US-Botschafterin bei der UNO, Madeleine Albright, teilte mit, die USA hätten als letztes Mitglied des UN-Sicherheitsrats den Modalitäten für das UN-Programm „Öl für Nahrung“ zugetimmt. Die Entscheidung habe „rein humanitäre Gründe“. Das UN-Sanktionskomitee sollte den technischen Richtlinien gestern zustimmen. Im UN-Hauptquartier galt dies nach Albrights Erklärung nur noch als Formsache.

Die Vereinbarung zwischen der irakischen Führung und der UNO, die jetzt umgesetzt werden soll, war nach monatelangen Verhandlungen zuerst am 20. Mai zustande gekommen. 14 der 15 Mitgliedstaaten des Sicherheitsrates stimmten damals zu – nur die US-Regierung bestand auf Nachbesserungen. Das bisher geltende UN-Embargo hatte vor allem die irakische Bevölkerung getroffen statt, wie beabsichtigt, die Führung um Saddam Hussein. Nach Ansicht des Roten Kreuzes leben etwa vier der 20 Millionen IrakerInnen am Rande der Hungersnot.

Das jetzt vereinbarte Programm erlaubt der irakischen Führung, innerhalb der kommenden sechs Monate Öl im Wert von zwei Milliarden US-Dollar zu verkaufen. Mit dem Export darf begonnen werden, wenn die UNO Kontrolleure ernannt und in den Irak entsandt hat. Der Erlös der Verkäufe muß auf ein UN-Treuhandkonto eingezahlt werden. Die Verteilung erfolgt nach der bereits im April 1995 vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Resolution 986. Demnach muß die irakische Führung von den zwei Milliarden US-Dollar Einnahmen 1,1 Milliarden für Lebensmittel und Medizin ausgeben, 600 Millionen für Reparationszahlungen an Golfkriegsopfer, zwischen 200 und 300 Millionen an die Kurden im de facto autonomen Norden Iraks und 100 Millionen für die UN-Mission im Land.

Experten rechnen damit, daß die wegen des Embargos größtenteils brachliegenden irakischen Ölförderungsanlagen in etwa einem Monat wieder einsatzbereit sein können. Interessenten für irakisches Öl gibt es genug. Die Türkei, über deren Territorium die wichtigste Pipeline aus dem Irak verläuft und der durch das Embargo Transitgebühren entgehen, steht seit Monaten in den Startlöchern. Ölhändler bahaupten gar, in dem türkischen Hafen Ceyhan warteten bereits zwölf Millionen Barrel (1 Barrel sind 159 Liter) irakischen Öls darauf, verschifft zu werden. Mit China schloß der Irak Anfang des Monats ein Handelsabkommen, und sogar US-Firmen signalisieren Interesse. Vor dem Golfkrieg gehörte der Irak zu den führenden Erdölproduzenten. Als die US-Zustimmung bekannt wurde, sank der Weltölpreis um 30 Pfennig pro Barrel. Thomas Dreger