■ US-Wahlspektakel in San Diego. Für den Republikaner Bob Dole ist die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten nur noch eine Formsache. Den viel schwierigeren Einzug in das Weiße Haus soll sein ehemaliger Konkurrent Jack Kemp sichern.: Da
US-Wahlspektakel in San Diego. Für den Republikaner Bob Dole ist die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten nur noch eine Formsache. Den viel schwierigeren Einzug in das Weiße Haus soll sein ehemaliger Konkurrent Jack Kemp sichern.
Das letzte Aufgebot des Bob Dole
San Diego ist eine Stadt, in der man sich amüsieren muß. Hier kann man Killerwalen die Schnauze küssen, sich in der Disko mit Schaum einseifen lassen, Shoppen, bis die Tüten platzen, oder sein Geld im Casino auf der benachbarten Indianerreservation verspielen. Einzig die Delegierten der Republikanischen Partei, die schon vor dem offiziellen Beginn des Parteitages zwecks Ausarbeitung ihres Programms angereist waren, hatten wenig zu lachen. Der fortgesetzte Streit um das Thema Abtreibung hatte die Medien vom verheißungsvollen Wirtschaftspaket ihres Präsidentschaftskandidaten Bob Dole abgelenkt. Der wiederum liegt in den Meinungsumfragen immer noch um Längen hinter Bill Clinton. Und die Handwerker im „San Diego Convention Center“ waren 24 Stunden vor der feierlichen Eröffnung immer noch um Längen davon entfernt, eine fernsehwürdige Bühne für den viertägigen Politzirkus zu präsentieren. Und just zum gleichen Zeitpunkt veröffentlichte Ed Rollins, Topwahlkampfmanager der Republikaner, seine Politmemoiren, in denen er an seinen ehemaligen Klienten kaum ein gutes Haar läßt.
Da kam die überraschende Nachricht von der Entscheidung Bob Doles, den ehemaligen Städtebauminister, Jack Kemp, zu seinem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten zu machen, wie eine Erlösung. „Endlich einer, der Schwung in den Wahlkampf bringt“, lautete die Reaktion – auch unter vielen Delegierten, die mit den Ansichten des eloquenten Ex-Footballstars in der Vergangenheit nicht immer übereingestimmt hatten.
Zu Kemps innerparteilichen Kontrahenten gehörte bislang auch Bob Dole als „Defizit-Falke“, dem eine Eindämmung der Staatsschulden immer wichtiger war als niedrige Steuern. Dole fand sich mehrfach in direkter Opposition zu dem 61jährigen „Reaganomics“-Anhänger, der unermüdlich die Allheilwirkung von Steuersenkung predigt. 1988 konkurrierten beide im republikanischen Vorwahlkampf um die Präsidentschaftsnominierung. Kemp machte sich damals auch einen Namen als radikaler Abtreibungsgegner, was in San Diego nun vor allem die Vertreter der christlichen Rechten mit Genugtuung vermerken.
Steuersenkungen sollen den Aufschwung bringen
Noch vor wenigen Monaten hatte Kemp Bob Doles Zorn provoziert, als er im republikanischen Vorwahlkampf den Milliardärserben Steve Forbes und dessen Forderungen nach einer „Flat tax“, einer linearen Besteuerung, und der Abschaffung der Vermögenssteuer unterstützte. Doch nun hat Dole mit Kemp und dem „Reaganomics“-Flügel der Partei im Rücken offenbar seine Wahlkampfstrategie gefunden: Wie seinerzeit Bill Clinton 1992 will er sich der durch Lohnrückgang und „Downsizing“ gebeutelten Mittelschicht annehmen, die in den letzten vier Jahren durch „gedrosselte Wachstumsraten“ immer noch keinen Aufschwung erlebt habe. Versprach Clinton damals staatliche Reformen und Investitionsprogramme als Lösung, so verspricht Dole Steuersenkungen, die Wachstum und Segen für alle bringen sollen. Entsprechenden Wirtschaftsoptimismus zu verbreiten, gehört zu Kemps ausgewiesenen Fähigkeiten – zumal er weit mehr Charisma und rhetorisches Talent besitzt als Dole. Seine Neigung, immer sehr ausführlich und laut Kontroversen mit Parteigenossen auszutragen, birgt aber auch reichlich Konfliktstoff. Ein Streitpunkt ist die Einwanderungspolitik: Während Dole Sanktionen gegen illegale Immigranten – darunter das Schulverbot gegen deren Kinder – unterstützt, gehört Kemp zu jenen prominenten Republikanern, die sich 1994 gegen eine entsprechende Volksabstimmung in Kalifornien aussprachen. Im Gegensatz zum Präsidentschaftskandidaten unterstützt Kemp Gleichstellungsmaßnahmen für Minderheiten. Als Städtebauminister im Kabinett von George Bush machte sich Kemp mit seinem Konzept der „Urban Enterprise Zones“ einen Namen, in denen Privatunternehmen durch massive Steuervergünstigungen zu Investitionen in städtischen Ghettos motiviert werden sollten.
„Die Republikaner für Angehörige von Immigranten und Minderheiten zu öffnen“, ist für ihn in den letzten Jahren zur Lebensaufgabe geworden, was ihn immer wieder in Konflikt mit der Parteimehrheit bringt. „Ich habe in meiner Karriere als Footballspieler mit mehr Schwarzen unter der Dusche gestanden, als die meisten meiner Parteigenossen in ihrem ganzen Leben die Hand gegeben haben“, erklärte er vor einigen Jahren. Daß bei eben jenen Parteifreunden nun die Lust am gemischten Duschen ausbricht, ist unwahrscheinlich. Doch auf dem Parteitag wird Kemp nun ob seiner Offenheit gegenüber einer bislang ausgegrenzten Wählerklientel mit Lob überschüttet werden.
Denn ab heute herrscht in San Diego das Diktat der inszenierten Harmonie: Pat Buchanan, der am meisten gefürchtete Störenfried, erhält im Gegensatz zum Parteitag 1992 dieses Mal keine Redezeit. Dafür durften der Buchanan-Flügel und die christliche Rechte als Gegenleistung in der Debatte um das – politisch allerdings irrelevante – Parteiprogramm einen symbolischen Sieg vermelden: Jeglicher Hinweis auf die Existenz der „Pro Choice“-Fraktion – also der Befürworter des Schwangerschaftsabbruchs – wurde aus den Entwürfen wieder herausradiert. Zwei prominente „Pro Choice“- Vertreter, die Gouverneure von Kalifornien und Massachusetts, Pete Wilson und William Weld, strich man wieder von der Liste der Parteitagsredner. Beide hatten in der Auseinandersetzung um die Abtreibungsfrage angedroht, zu diesem Thema einen Plenumsstreit zur besten Sendezeit anzuzetteln.
Doles ehemalige Konkurrenten aus dem Vorwahlkampf dürfen sich nur mit vorab gedrehten Kurzvideos zu Wort melden. Dafür erhält Elizabeth Dole, die Gattin des Präsidentschaftskandidaten, ein Kopfmikrofon, um die Auftritte ihres Mannes jederzeit mit herzerfrischenden Kommentaren unterstreichen zu können. Diesen ehelichen Beistand wird er brauchen können. Wenn Bob Dole am Donnerstag abend in seiner Rede zum Abschluß des Parteitags nicht endlich vom Wahlkampffieber gepackt wird, dürfte er seine jüngste Personalentscheidung bereuen. Denn dann werden sich die Delegierten wünschen, er würde mit Jack Kemp die Rollen tauschen. Andrea Böhm, San Diego
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