: Berlin bleibt schattige Provinz
Mit Tücke und der Unterstützung von Senatoren verhindert der Strommonopolist Bewag seit Jahren die Förderung der Sonnenenergie ■ Aus Berlin Hannes Koch
Peter Strieder ist Optimist. Zwar hat der SPD-Umweltsenator in seiner mittlerweile sechsmonatigen Amtszeit wenig Erfolge vorzuweisen. Trotzdem progagiert er bei jeder Gelegenheit, Berlin werde „Solarhauptstadt Deutschlands“.
So soll der Energieversorger Bewag ein großzügiges Förderprogramm für Photovoltaikzellen auflegen, um dem Sonnenstrom an der Spree zum Durchbruch zu verhelfen. Seit fast zwei Jahren wehrt sich die Bewag massiv dagegen. Doch vor kurzem kündigte der Umweltsenator den Durchbruch bei den Verhandlungen an. Noch im August, so Strieder, werde es zu einer „überraschenden Vereinbarung“ mit der Bewag kommen.
Weniger hoffnungsfroh ist Umweltpolitiker Hartwig Berger von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Der bevorstehende Kompromiß mit dem Strommonopolisten sei „weder Fisch noch Fleisch“.
Beim Streit zwischen Sonnenlobby und Bewag geht es um die Subventionierung des Solarstroms. Einige hundert Besitzer von Photovoltaikanlagen in Berlin bekommen heute 17 Pfennig pro Kilowattstunde Strom, die sie nicht selbst verbrauchen und deshalb ins öffentliche Netz einspeisen. Erst bei einem Preis von zwei Mark erwirtschaften die Solaranlagen aber mehr Geld, als sie kosten.
Abgeordnete beschlossen Geld für sauberen Strom
Im November 1994 beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus deshalb mit großer Mehrheit, daß die Bewag diesen politisch korrekten Aufpreis, im Fachjargon „kostendeckende Einspeisevergütung“, bezahlen soll. Das Kalkül der ParlamentarierInnen: Wenn sich mit sauberem Strom Geld verdienen läßt, bauen viele Leute die blauen und roten Solarzellen auf ihr Hausdach. Das spart Kohle und Öl und dient so dem Klimaschutz. Zweitens entstünde eine riesige Nachfrage nach Sonnentechnik. Industrieunternehmen kämen mit neuen Arbeitsplätzen nach Berlin.
Würde die Bewag tatsächlich die Subvention an die Energiepioniere zahlen, wäre der Berliner Stromversorger das größte Unternehmen der Republik, das die Sonnenenergie fördert. Bisher haben sich erst rund 30 meist kleinere, kommunale Stadtwerke zu derartigen Regelungen entschlossen.
Die Bewag aber wehrte sich bis jetzt erfolgreich. Zusammen mit dem Berliner Wirtschaftssenator und der Finanzverwaltung bilden die Strommanager eine Verhinderungsfront gegen den Umweltsenator. Der fordert nämlich, daß die Bewag die Solarförderung aus ihren Einnahmen finanzieren soll. Etwa 0,3 Pfennig vom Strompreis jeder privat verbrauchten und 0,2 Pfennig jeder industriell genutzten Kilowattstunde sollen in den Solartopf fließen. Dabei würden rund 40 Millionen Mark jährlich zusammenkommen.
Die Bewag wendet sich hilfesuchend an die Wirtschaftsverwaltung. Wie schon sein Amtsvorgänger will auch Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) die Strompreise für Industrieunternehmen senken. Zur Zeit liegen sie bei rund 20 Pfennig – zehn Prozent über dem Niveau anderer Energieversorger im Berliner Umland. Die Industriebetriebe in der wirtschaftlich arg gebeutelten Hauptstadt, so Pieroth, dürften nicht weiter benachteiligt werden.
„Falsch“, kontert der grüne Umweltsprecher Hartwig Berger. In der Industrie mache die Stromrechnung „kaum ein Prozent der Gesamtausgaben“ aus. 0,2 Pfennig Solarabgabe pro Kilowattstunde würden kein Unternehmen gefährden oder davon abhalten, nach Berlin zu kommen.
Doch die Bewag legt ein weiteres Argument nach. „Wenn wir nicht aufpassen, können wir unsere Kraftwerke dichtmachen“, warnt Bewag-Sprecher Reinhard Heitzmann. Schließlich stehe die Liberalisierung des europäischen Energiemarktes bevor. Schon ab Januar 1997 könnten ausländische Stromproduzenten ihre billigere Energie auch in Deutschland verkaufen.
Berlin und nicht die Bewag soll Subventionen zahlen
Bewag und Wirtschaftssenator propagieren deshalb eine Idee mit Pfiff. Nicht der Energieversorger, sondern das Land Berlin soll die Photovoltaikanlagen finanziell unterstützen. Dagegen hat nun aber SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing etwas einzuwenden. Das Land ist schließlich heillos verschuldet.
Weil es der Bewag gelungen ist, den Schwarzen Peter der Finanzierung dem Land Berlin zuzuschieben, ließ sich der Solarpfennig bislang nicht durchsetzen. Umweltsenator Peter Strieder fehlt zudem die Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU). Der könnte ein Machtwort sprechen und Wirtschaftssenator Pieroth auf einen sonnenfreundlichen Kurs zwingen. Doch Strieder kämpft auf verlorenem Posten. So ist es ihm bis heute nicht gelungen, einen Sitz im Aufsichtsrat der Bewag zu ergattern. Statt Strieder sitzt Elmar Pieroth in dem Kontrollgremium.
Die von Peter Strieder angekündigte „überraschende Vereinbarung“ wird wohl letztendlich nur ein „Mischmodell“ sein, schätzt Energiespezialist Carsten Körnig von Greenpeace. Die Einspeisevergütung könnte nach diesem Plan aus drei Quellen finanziert werden. Einen Teil bezahlt die Bewag, und ein paar Mark steuert das Land bei. Der Rest könnte aus einem freiwilligten Aufpreis einzelner Stromkunden kommen. Diese Idee des „grünen Tarifs“ stammt von der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW). Nicht zuletzt wegen der freiwilligen Komponente wird wohl nicht genug Geld für eine kostendeckende Solarstromproduktion zusammenkommen. Statt „Solarhauptstadt“ wird Berlin wohl eher schattige Provinz.
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