Wie eine fidele Vertretertruppe

Die Ästhetik der Fußballergruppe: Wußten Sie, daß Fortuna Köln seit Jahren die besten Mannschaftsfotos macht – und Freiburg die schlechtesten?  ■ Von Katrin Weber-Klüver

Neulich saß ich in der Vereinskneipe des SC Fortuna Köln, die den schönen Namen „Bacchus“ trägt, aber natürlich vornehmlich eine Kölsch-Kneipe ist, und blätterte in einem Sonderheft zur neuen Bundesligasaison. Um mich herum tranken Menschen obergäriges Bier und waren glücklich, weil die Fortuna gerade mit einem Sieg die neue Spielzeit eröffnet hatte. Es gab also allerlei zu bereden über Spielverlauf und Perspektiven. Da sagte plötzlich, weil ich immer noch andächtig in diesem Heft herumstöberte, der Herr Weinzierl, der mir gegenüber saß und der in Personalunion Busfahrer und Manager der Fortuna ist: „Wißt ihr eigentlich, daß wir seit Jahren das beste Mannschaftsfoto machen?“

Das saß. Nicht wegen der Behauptung eigener Bestleistung, sondern wegen ihres Gegenstandes. Hatte irgend jemand am Tisch sich je Gedanken über die Ästhetik des Mannschaftsfotos als solchem gemacht? Und: Hatten wir da eine große Sache versäumt? Unbedingt, wie wir nun erfuhren.

Nehmen wir – Ehre, wem Ehre gebührt – als Beispiel das aktuelle Fortunen-Foto: Die Männer sind in drei Reihen angeordnet, die erste sitzt, die Torhüter mittig. Wichtigstes Qualitätsmerkmal sind die versetzten Reihen, so erklärt Herr Weinzierl, „damit man den Sponsor gut lesen kann“. Und zwar auf jedem einzelnen Trikot. In der Tat gelingt dies keinem Verein so perfekt wie den Kölner Fortunen, und es wird das Geheimnis des Managers bleiben, wie er es zugleich schafft, daß die Spieler alle gleich groß zu sein scheinen.

Damit diese Feinabstimmung gut zur Geltung kommt, ist ein möglichst neutraler Hintergrund angeraten. Herr Weinzierl empfiehlt Trainingsgelände mit naturgrüner Umgebung. Und wirklich ist es ja nicht besonders ansprechend, wenn die Kerle vor gähnend leeren Tribünen postiert sind wie in Rostock oder Leverkusen. Schon besser sind da die in Norddeutschland recht populären Hafenbilder, in dieser Saison beim VfB Lübeck zu sehen. Indiskutabel hingegen ist die Bildkomposition der Mainzer, die wohl der Ankurbelung des Fremdenverkehrs dienen soll. Die Männer stehen jedes Jahr irgendwo inmitten der putzigen Altstadt. Und wäre das nicht schon ablenkend genug, plazierten sie vergangenes Jahr vor sich auch noch eine Ausstellung aus Werbetafeln.

Doch betrachten wir uns das Mannschaftsfoto im Wandel der Zeiten: Anno 1974/75 zum Beispiel waren die Trikots noch unifarben, bestenfalls dezent gestreift und trugen höchstens mal das Zeichen des Herstellers. Ausnahmen wie die Jägermeisterhirsche der Braunschweiger und die lustigen Camparihemden des HSV bestätigen diese Regel. Weil also meist nichts werbewirksam ins Bild zu setzen war, gab es auch keine pingelige Aufstellungsordnung für die Fotografien. Die erste Reihe hockte locker im halbhohen Gras oder adrett auf der Bank; manchmal bildeten 14 Spieler einen Pulk, dann wieder 24 zwei endlos lange Reihen; die Arm- und Beinhaltungen waren meist kämpferisch verschränkt, mal kameradschaftlich vereint oder anderweitig kreativ. Das einzige Accessoire war: der Ball. Das Ding, um welches es schließlich ging. Damals. Bald setzte sich mit der Trikotwerbung das System des Drei-Reihen-Fotos durch. An die Bildränder schlichen sich die ersten Ausrüstertäschchen mit Werbeaufdruck. Und zu Beginn der 90er Jahre war auf den meisten Fotos der Raum vor der ersten Riege endgültig zur Werbebande mutiert.

Dieser Preisgabe des puristischen Konzeptes arbeiten Ästheten wie Herr Weinzierl mit Gestaltungswillen entgegen. Das zweite Qualitätsmerkmal des guten Fotos im Weinzierlschen Verständnis ist die symmetrische Anordnung. Hier fällt ausgerechnet sein eigenes Werk ab, und das auch noch deshalb, weil er selbst unbedingt und als einziger einen Anzug tragen wollte. In spiegelbildlicher Perfektion präsentiert sich der deutsche Meister. Dortmunds Mannschaftsfoto ist so präzis gestaltet, daß man es in der Mitte vertikal zusammenfalten könnte, und dann fielen sowohl die Bälle und Werbelogos im Vordergrund als auch die Mitglieder des Trainer- und Betreuerstabes sowie die Torhüter jeweils aufeinander. Der harmonische Gesamteindruck wird verstärkt durch die mittige Aufstellung der farbigen Spieler sowie die gelb-schwarzen Trikots der Spieler und die schwarz-gelben Gegenstücke des Stabes.

Fast ebenbürtig sind die Bayern, die allerdings keine Ordnung in ihre Produktreihe gebracht haben und ihren UEFA-Pokal lieblos wie einen Ascheimer präsentieren. Wahrscheinlich weil sie weniger ein ordinärer Fußballverein als vielmehr ein prosperierendes Unternehmen sind, haben die Münchner auf einen Ball im Bild verzichtet. Außer ihnen tun das nur die Schalker, aber die haben für so was Profanes wie einen Fußball auch auch wirklich keinen Platz. Wie eine fidele Vertretertruppe haben die Knappen vor ihren Füßen diverse Reinigungsgeräte des Sponsors ausgebreitet und sehen so aus, als würden sie gleich nach dem Fototermin Klinken putzen gehen.

Zurück zur Symmetrie. Das Gegenteil von meisterlicher Ordnung demonstriert der FC St. Pauli. Womöglich, weil der Verein zum Zeitpunkt des Fototermins noch ohne Manager, mithin ohne ordnende Hand war. Jedenfalls stehen alle wild durcheinander, die Kleiderordnung ist eher vage. Dann guckt auch noch jeder, wohin er will, weil offenbar alle Fotografen auf einmal ihre Witze gerissen haben, um Aufmerksamkeit zu erregen. Solche Blickrichtungsprobleme haben Gestaltungsprofis wie die Kölner oder die Dortmunder natürlich nicht. Die leicht chaotische Anmutung der Paulianer löst bei Herrn Weinzierl übrigens eher Mitgefühl aus. Was soll man nun schimpfen mit solchen, denen der Sinn fürs Schöne abgeht? Wirklich indigniert ist der Feingeist Weinzierl über die, die das Kunstwerk Mannschaftsfoto mit Absicht verschandeln. Herr Weinzierl blättert nach dem Corpus delicti, und da ist es: das Mannschaftsbild des FC Freiburg. Daß Alain Sutters Haare wild herumfliegen – geschenkt. Daß man annehmen könnte, der Verursacher sei die Windmaschine auf dem Foto – fast lustig. Aber die Windmaschine ist in Wahrheit ein Heizgerät und steht exakt bildmittig. In der vergangenen Saison präsentierten die Freiburger das Monstrum noch verschämt am rechten Bildrand. Zur Ablenkung lag in der Mitte ein kecker Comic-Fuchs. Der ist jetzt nach rechts außen gewandert. Und dieser sogenannte Wärmekörper steht fett da, wo eigentlich die Torhüter sitzen. Herr Weinzierl ist erschüttert. Und zu sprachlos, um zu sagen, was an dieser Stelle gesagt werden muß: Der SC Freiburg braucht einen hauptamtlichen Manager. Jemand muß diesem Kulturverfall in Baden schleunigst ein Ende machen. Herr Weinzierl, übernehmen Sie!