: Posse mit Rekordcharakter
Tischler läßt Bezirksamt auflaufen: Seit 13 Jahren stehen unter den Augen der Behörde elf Wohnungen in der Grindelallee leer ■ Von Marco Carini
Peter Großmann gibt sich optimistisch. „Die Verhandlungen stehen unmittelbar vor ihrem Abschluß“, weiß der Chef des Eimsbütteler Rechtsamtes. Schon in wenigen Wochen könnte „der öffentlich-rechtliche Vertrag unterschrieben“, das Eckhaus Grindelallee 188/Hallerstraße anschließend wieder bevölkert werden. Noch aber stehen elf der 13 Wohnungen des Klinkergebäudes leer – seit mittlerweile rekordverdächtigen 13 Jahren.
Warum Hausbesitzer Anton Selzle sich standhaft weigert, die Räume, die seit dem Auszug der Hermes-Kreditgesellschaft im Jahr 1982 leerstehen, wieder zu vermieten, ist Amtsleiter Großmann schlicht „schleierhaft“. Immer wieder hatte das Bezirksamt Selzle per Verfügung aufgefordert, den Dauer-Leerstand zu beenden. Doch genauso oft legte der Tischler Widerspruch gegen die blauen Briefe aus der Behörde ein.
Da das Bezirksamt aufgrund der komplizierten Rechtslage den Gang vors Gericht scheut, setzten sich VertreterInnen des Eimsbüttler Rechtsamtes mit dem Anwalt Selzles an einen Tisch. Heraus kam ein Vertragswerk, in dem sich der Hausbesitzer verpflichtet, die leerstehenden Räumlichkeiten innerhalb weniger Monate zu vermieten. Die unteren beiden Stockwerke sollen zukünftig als Gewerberäume genutzt, in den beiden oberen Geschossen acht Wohnungen wiederbelebt werden.
Doch bislang weigert sich der Tischler standhaft, den unterschriftsreifen Vertrag zu unterzeichnen. Mit immer neuen Begründungen verschleppt er den Abschluß: Mal sind ihm die Fristen zu kurz, innerhalb derer das Haus wieder vermietet werden soll, dann klagt er darüber, daß nach Vorstellungen des Rechtsamts zuviele Wohnungen und zu wenige Gewerberäume in dem Leerstandshaus entstehen sollen. Trotzdem glaubt Rechtsamtsleiter Großmann fest daran, daß eine „baldige Einigung zwischen beiden Parteien“ den Dauer-Leerstand endgültig beendet.
Es ist nicht die erste Positiv-Prognose aus Eimsbüttel. 1989 hatte Selzle bereits eingewilligt, DDR-Flüchtlinge und SpätaussiedlerInnen in seinem Haus aufzunehmen, zog dann seine Zusage aber wieder zurück. 1991 scheiterte schließlich ein Versuch des Bezirksamtes, „AsylbewerberInnen“ in dem Klinkerbau unterzubringen. Zwei Jahre später kündigte die damalige Bezirksamtschefin Ingrid Nümann-Seidewinkel an, ihre Behörde werde nun gegen den renitenten Vermieter klagen. Doch stets hieß es am Ende nur: Viel Lärm um nichts.
Inzwischen hat sich auch die Baubehörde in den Fall eingeschaltet. Erst am vergangenen Freitag forderte ein Mitarbeiter von Eugen Wagners Behörde Rechtsamtsleiter Großmann zu einem umfassenden telefonischen Sachstandbericht über die Verhandlungen auf. Der Amtsleiter aber mußte zunächst erst mal passen: Die zuständige Mitarbeiterin weilte im Urlaub, die Akte war stundenlang unauffindbar.
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