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Eine Droge ist eine Droge ist eine Droge

■ Keine Bewährung für Oberleutnant, der mit „Ecstasy“ auch gehandelt hat Von Stefanie Winter

Vielen Eltern wohl wäre es recht, wenn sie es einfach so sehen könnten: Da ist einer – zehn, zwölf Jahre älter als das eigene Kind – und verführt unbedarfte Jugendliche zum Drogenkonsum. Ecstasy, Hölle und Verdammnis. Und für den Dealer eine Freiheitsstrafe. Zwei Prozeßtage und fünf Zeugenvernehmungen aber reichten aus, um zu zeigen, daß es so nicht läuft. Daß für viele Jugendliche die amphetaminhaltigen Tabletten zur Techno-Party gehören wie für zahlreiche Ältere der hochprozentige Klare zur Schweinshaxe. Daß dabei hier wie dort feststeht, wer der Wirt ist. Und daß der, auch wenn er seinen Schnitt macht, als Kumpel gilt.

Marcus E. ist – noch – Oberleutnant und Pädagogik-Student, mittlerweile an der „freien Universität“, wie er die Hamburger Uni in Abgrenzung zur Bundeswehrhochschule nennt. Einige Monate lang hatte er im vergangenen Jahr Ecstasy-Pillen preisgünstig in größeren Mengen eingekauft, sie oft zu „Freundschaftspreisen“ weitergegeben – auch an Minderjährige, zum Teil zum Wiederverkauf, einzelne auch mal gratis, einige regelmäßig selbst geschluckt.

Ende Mai 1995 stellte die Kripo ihm mit einer Scheinaufkäuferin eine Falle; seit vergangener Woche machte ihm das Landgericht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz den Prozeß (taz berichtete). Zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte gestern die Strafkammer den 28jährigen, der auf eine Bewährungsstrafe gehofft hatte. Den nach geltendem Recht milden Richterspruch steckte er ein wie jemand, der einen Schlag in die Magengrube erhält, jedoch nicht zeigen will, wie schwer er getroffen wurde. Er atmete tief durch.

Nach seinem Abitur 1987 war Marcus E. „nahtlos“ zur Bundeswehr gegangen, erst zur Marine, später wegen einer „Rot-grün-Schwäche“ zum Heer. Er wurde zum Nachrichtengerätemechaniker ausgebildet, zum Informationselektroniker und zum Einzelkämpfer. Nach einer kurzen Studien-Stippvisite im Fachbereich Maschinenbau merkte er, daß der technische Bereich seine Sache doch nicht ist. Seit 1992 studiert er Pädagogik, seit Dezember vergangenen Jahres betreut er neben dem Studium Jugendliche beim „Rauhen Haus“.

„Ich habe sehr viel auf mich genommen, um beruflich dorthin zu gelangen, wo ich mich jetzt befinde“, sagte Marcus E. in seinem „letzten Wort“, das jedem Angeklagten nach den Plädoyers zusteht. Anders als viele Angeklagte hatte er sein „Wort“ schriftlich vorbereitet, in einer ledernen Schreibmappe verwahrt, trug es im Stehen vor, richtete das Wort ans „Hohe Gericht“. „Tiefes Bedauern“ drückte er darüber aus, daß Ecstasy „zum Primärfaktor“ in seinem Leben wurde. Er habe eben in der Techno-Szene eine Chance auf „neue Kollegen“ gesehen und sei deshalb „mit der Szene verknüpft geblieben“.

Nicht nur wegen seines für die Szene reifen Alters spielte Marcus E. dort – nach langjährigem Strammstehen in der Truppe – eine besondere Rolle. Er war eben jemand, der „immer was hatte“, der sich auch sonst „um seine Schäfchen kümmerte“, beschrieben ihn Zeugen. Nicht nur Gewinnstreben sei E.s Motiv für den Drogenhandel gewesen, resümierte der Staatsanwalt, sondern auch Eitelkeit.

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