: Zweifel an der Version des BND
■ Hat Berge Balanian tatsächlich ohne Wissen des Geheimdienstes Giftgasgeschäfte mit Libyen abgewickelt?
Berlin (taz) – Die Behauptung des Bundesnachrichtendienstes (BND), man habe nicht gewußt, daß der langjährige Libyen-Informant Berge Balanian beim Transport deutscher Giftgasanlagen nach Libyen seine Hände im Spiel gehabt habe, stößt auf begründete Zweifel.
„Es ist kaum vorstellbar“, so Manfred Such von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), „daß BND-Beamte jahrelang mit Balanian über Libyen gesprochen haben, ohne dabei etwas über von ihm geplante Giftgasgeschäfte erfahren zu haben.“ Jeder Informant werde eingehend überprüft. Hierbei hätten Balanians Kontakte notgedrungen auffliegen müßen. „Dies gilt um so mehr“, so Such, „als der BND selbst sagt, er habe mit Balanian aus konkretem Anlaß“ Kontakt aufgenommen.
Dieser Anlaß könnte gewesen sein, daß Balanian schon einmal versucht hat, direkt bei Siemens eine Anlage zu bestellen und damit abgeblitzt ist. Es liege nahe, daß der BND von diesem Ankaufversuch Kenntnis gehabt habe. Die Beziehungen zwischen Siemens und dem BND gelten als eng. Der Sicherheitschef von Siemens-München soll ein Ex-BND-Mann sein. Dieser habe den Ankaufversuch von Balanian wohl kaum für sich behalten. Such: „Das ist die eine Geschichte, weshalb mir die Version des BND, er habe nichts gewußt, angeschoben und dirigiert, wenig glaubhaft erscheint.“
Auch konkrete Erfahrungen mit anderen Firmen sprechen für Such dafür, daß Balanian den BND umfassend informiert hat: So wurde erst kürzlich der technische Geschäftsführer der Firma „Wet Pillot Plant“, der ebenfalls eine Quelle des BND war, vom Landgericht Darmstadt wegen Lieferungen von Giftgasanlagen in den Irak verurteilt. Die Kontrollkommssion, die die Arbeit der Geheimdienste kontrolliert, wird sich nach Suchs Angaben in der ersten Septemberwoche mit dem Thema befassen.
Der Vorsitzende der PKK, Wilfried Penner (SPD) sagte dazu: „Ich bin der Meinung“, so Penner, „daß dieser Vorgang eine derartige Bedeutung hat, daß er nicht als Fachsache eingestuft werden kann, sondern daß er direkt auf den Chef der Bundesregierung, den Bundeskanzler zuläuft. Er muß sich dieser Sache politisch annehmen.“ Besonders gravierend sei, daß die Bundesrepublik Deutschland innerhalb kurzer Zeit zweimal durch Beteiligung von Firmen an dem Aufbau von Giftgasanlagen in Lybien aufgefallen sei. „Das ist ein außerordentlich schmerzlicher Vorfall.“
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Karl-Heinz Hornhues (CDU), forderte eine engere Zusammenarbeit der EU-Staaten, um illegale Rüstungsexporte künftig zu verhindern. Julia Albrecht
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