: „Schnell zeigen, daß ein anderer Wind weht“
■ Vor dem CDU-Wirtschaftsrat gewinnt SPD-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing beifallumrauscht die Sympathie der Unternehmer. Keine Kritik an Gewerbesteuererhöhung
Der Star trägt ein blaues Kleid und einen Ohrring. „Da kommt sie“, stubst ein Anzugträger seinen Tischnachbarn an. Köpfe werden zusammengesteckt, Hälse gereckt, wie damals in der Schule, als die neue Lehrerin kam. Heute spricht die sozialdemokratische Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing vor Wirtschaftsleuten, christdemokratischen pikanterweise. Während die CDU-Fraktionsspitzen gegen Fugmann frondieren, empfängt sie der CDU-Wirtschaftsrat freundlich, fast herzlich.
„Sie sind schuld an diesem Chaos“, scherzt Moderator Michael Hanika, hauptberuflich Manager beim Zürcher Weltkonzern Asea Brown Boveri. Seit einer halben Stunde räumen die Kellner immer neue Tische in den Bankettsaal des Hilton-Hotels. Statt der 120 angemeldeten sind 200 meist dunkel gekleidete Zuhörer gekommen, um etwas über die Finanzen zu hören. Die sind schlecht, das wissen alle hier; sie wollen hören, wie das zu ändern sei.
Das Chaos im Bankettsaal sei symbolisch für den Landesetat, beginnt sie und erntet dafür brausenden Beifall. Es zeige, „daß man die Bedürfnisse an vorhandene Ressourcen anpassen muß“. Das Frühstücksgeschirr klappert vor entzückten Tischtrommlern. Die Senatorin muß eine Pause machen, und die Wirtschaftsräte scheinen zu vergessen, was sie der Sparkommissarin hinter die Ohren schreiben wollten: „Daß wir mit einer Sparpolitik, die allein kürzt, nicht zum Ziel kommen.“ So sprach Udo Marin, Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats von Berlin/ Brandenburg, doch jetzt verdüstert die Dichte des Beifalls sein Gesicht doch ein wenig.
Die Zahlen hat die Senatorin schnell heruntergebetet: Das Budget sei, noch 1991 hoch bezuschußt, zu schnell vom Bundestropf gerissen worden. Im 42-Milliarden- Haushalt klaffe so eine strukturelle Lücke von acht Milliarden Mark. „Wenn Sie in Ihren Unternehmen diese Situation vorfänden, würden Sie Maßnahmen einleiten“, sagt sie, und die laute Zustimmung des CDU-Publikums ist ihr sicher. Sie wolle die Deckungslücke bis 1999 schließen: Erstens durch Stellenabbau, denn „die Verwaltung habe einen überbesetzten Personalbestand“. Frenetischer Beifall. Zweitens durch scharfe Reduzierung konsumtiver Ausgaben. „Wer umsteuern will, muß schnell zeigen, daß ein anderer Wind weht.“ Wieder Applaus.
Mit ihren Punkten drei und vier könnte Fugmann bei den Wirtschaftkapitänen anecken: Weniger Investitionen und Anheben der Gewerbesteuer kündigt sie mit fester Stimme an. Kein Beifall zwar, aber ebensowenig Kritik. Auch in der Fragerunde später wird niemand das heiße Eisen Gewerbesteuer aufgreifen.
Jetzt scheint der Senatorin der Moment richtig: „Ist es zu verantworten“, fragt sie die CDU-nahen Geschäftsleute und Banker rhetorisch, „daß wir uns von dieser Konsolidierungspolitik verabschieden?“ An dieser Stelle plaziert die Frau mit dem Bubikopf auch ein sozialdemokratisches Ziel: Notwendig sei, „daß dieses System Chancen für alle bieten muß“. Was sind die Chancen Berlins? Die Wissenschaft, meint die Senatorin der Finanzen, die den Hochschulen gerade eine neue Streichliste zugestellt hat. Als Dienstleistungsdrehscheibe Ost-West, drehorgelt sie den Refrain der Nachwendezeit. Wie abgenudelt das ist, wissen auch die Wirtschaftsräte; es interesiert sie viel weniger als Fugmanns Parteibuch. „Wenn Sie schon in der falschen Partei sind“, kämpft der Moderator und Manager Hanika gegen den Schlußapplaus, „kommen Sie wenigstens wieder zu uns.“ Christian Füller
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