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Clinton will Tabak zur Droge erklären

■ Zigaretten werden in den USA zum Wahlkampfthema: Präsident Clinton, der selbst zum Rauchen ein zwiespältiges Verhältnis hat, will gegen die mehrheitlich Dole zugeneigte Tabakindustrie vorgehen

Washington (taz/AFP/wps) – Mit einem Aktionsplan will US- Präsident Bill Clinton gegen den steigenden Tabakkonsum von Jugendlichen in den USA vorgehen. Der Verkauf von Tabak an Minderjährige soll besser verhindert und die Zigarettenwerbung eingeschränkt werden, kündigte das Weiße Haus am Mittwoch an. Als gesetzliche Grundlage dieser Maßnahmen soll Nikotin zur Droge erklärt werden. Die Ankündigung erfolgte nur eine Woche, bevor Clinton auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert werden soll.

Seinen ganzen Aktionsplan wolle Clinton vorstellen, sobald er Vorschläge der Behörde zur Kontrolle von Nahrungsmitteln und Medikamenten (FDA) geprüft habe, sagte Präsidentensprecher Michael McCurry. Vor zwei Wochen hatte die FDA vorgeschlagen, Zigarettenautomaten zu verbieten, ein Mindestalter von 18 Jahren zum Kauf von Tabakprodukten einzuführen und die Werbeplakate für Tabakprodukte im Umkreis von Schulen und Spielplätzen zu verbieten. Außerdem sollten Tabakkonzernen keine Veranstaltungen mehr sponsern. Die FDA will die Zahl der rauchenden Teenager in sieben Jahren halbieren. Ihr zufolge sterben jedes Jahr 400.000 US-Amerikaner an den Folgen des Rauchens.

Präsidentensprecher McCurry sagte, Erwachsene – zu denen der Präsident gehört – seien von dem Aktionsplan „praktisch nicht betroffen“. Clinton verfolge schon lange die Absicht, die jungen US- Bürger „vor Abhängigkeit von Tabakwaren in jeder Form zu bewahren“. Clinton rauchte in seiner Jugend Marihuana, ohne zu inhalieren, und genoß nach eigenen Angaben sechs Zigarren pro Jahr, bis Ehefrau Hillary das Weiße Haus zur Nichtraucherzone erklärte.

Nun erhofft er sich offenbar Pluspunkte im Wahlkampf. Die Republikaner erhalten nämlich erhebliche finanzielle Zuschüsse von der Tabakindustrie, und ihr Kandidat Bob Dole hat in den vergangenen Wochen mehrmals zum Spott der Kommentatoren die Meinung der Tabakindustrie wiedergegeben, wonach Rauchen nicht süchtig machen könne. Außerdem hat er angekündigt, im Falle seiner Wahl FDA-Chef David Kessler – der einst vom republikanischen Präsidenten George Bush ernannt worden war – zu feuern. Dole warf Clinton jetzt vor, er wolle nur von seinem Versagen im Kampf gegen den Drogenmißbrauch ablenken.

Allerdings muß sich die Clinton-Regierung fragen lassen, wieso sie erst jetzt etwas tun will. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte der Präsident noch eine Zwei-Dollar- Steuer auf jede Zigarettenpackung befürwortet, um die von ihm geplante Gesundheitsreform zu finanzieren. Nach Protesten von Vizepräsident Al Gore wurde die Steuer auf 75 Cents verringert. Gore war früher Tabakfarmer, bis seine Schwester 1984 an Lungenkrebs starb. Er blieb aber den Tabak-Lobbyisten verbunden und erreichte beispielsweise, daß bei einem früheren Vorstoß von Kongreßabgeordneten zur Hervorhebung von Gesundheitsschäden auf Zigarettenschachteln die Erwähnung der Worte „Tod“ oder „Sucht“ verboten wurde. Handelsminister Mickey Kantor wehrte vor vier Jahren als Anwalt von Tabakkonzernen ein Rauchverbot in Restaurants von Los Angeles ab.

Clintons Aktionsplan dürfte zu einer weiteren Verschärfung der juristischen Auseinandersetzung in den USA um den Tabakkonsum führen. Die Zigarettenindustrie ist durch Klagen von dreizehn Bundesstaaten unter Druck geraten. An der Wall Street rutschten die Aktienkurse der großen Tabakkonzerne kurz nach der Erklärung des Weißen Hauses ab. D. J.

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