Unterm Strich

Der Band, dem wir diese Feuilletons von Siegfried Kracauer entnommen haben, erscheint in der kommenden Woche im Zürcher Verlag Edition Epoca: „Berliner Nebeneinander“, 320 Seiten, 20 Abb., 46,50 DM (ISDN 3905513021). Der Herausgeber Andreas Volk hat all jene Texte versammelt, die sich nicht mit Film und Literatur befassen und die noch nicht in der Ausgabe der „Schriften“ enthalten sind. Es sind hier selbst für Kracauer-Kenner zahlreiche Entdeckungen zu machen, die seine Kunst der Konkretion, des Arbeitens mit dem Material der alltäglichen Beobachtung, zeigen: die „Grüne Woche“, der kommunistische 1. Mai in Neukölln, Aufgeschnapptes am Bankschalter, ein Besuch im Lunapark oder ein Vortrag zur Propagierung der Freikörperkultur – Kracauer konstruiert sein Bild der Gesellschaft vor dem Abgrund aus den „kleinen Ereignissen, aus denen sich unser normales gesellschaftliches Leben zusammensetzt“.

„Unzulässige Verallgemeinerungen“ hat Simon Wiesenthal, Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Daniel Goldhagen vorgeworfen. In seinem Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ stellt Goldhagen die These auf, daß es im deutschen Volk einen weit verbreiteten „eliminatorischen Antisemitismus“ gegeben habe, ohne den Hitler den Holocaust nicht hätte durchführen lassen können. „Als Jude muß man gegen jede Art von Verallgemeinerungen sein“, sagte Wiesenthal in einem Interview der Wiener Illustrierten News. Daß Goldhagen von einzelnen Tätern auf ein ganzes Volk – die Deutschen – schließe, halte er für falsch. „Das beleidigt alle jene, die damals Juden geholfen haben und dafür auch gestorben sind“, so Wiesenthal. Der Holocaust sei vor allem „auf einen Mangel an demokratischer Tradition zurückzuführen“.

Streit um die Aufstellung eines Werks von Joseph Beuys im Bundestag: Eine Gruppe von Kunstwissenschaftlern und Künstlern appellierte am Donnerstag an Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, auf die Übergabe an die Öffentlichkeit am kommenden Montag zu verzichten. In einem offenen Brief erklärten die Initiatoren, bei dem Kunstwerk handele es sich lediglich um einen unveröffentlichten Vorentwurf für den Teil einer mehrteiligen Keramikarbeit. Der Titel „Gräberfeld“ stamme außerdem nicht von Beuys.