■ Hamburger SPD-Parteitag zum Bürgerschaftswahlauftakt
: Am Stammtisch Platz genommen

Streng betrachtet hat sich die Hamburger SPD lediglich für die Einhaltung des Bundessozialhilfegesetzes entschieden: Wer „zumutbare“ Arbeit ablehnt, muß mit der Kürzung eines Viertels seiner 531 Mark Hilfe zum Lebensunterhalt rechnen. Doch da in der Hansestadt wie überall nicht gegen geltendes Recht verstoßen werden darf, ging es beim Hamburger Landesparteitag der SPD um einen Richtungskampf ganz anderer Art: Will man sich zum Wahlkampfauftakt für die Bürgerschaftswahlen im kommenden Jahr zum Fürsprecher gesellschaftlicher Verlierer machen oder mit Sozialschmarotzerslogans die schlichten Gemüter an bundesdeutschen Stammtischen gewinnen?

Die Hamburger SPD hat sich am Wochenende für eine Abkehr der bisherigen Politik — Tariflohn statt Sozialhilfe — entschieden. Statt Konzepte und Visionen zur Zukunft der Arbeit zu entwickeln, glaubt die SPD mit Stimmungsmache gegen Sozialhilfeempfänger parteipolitisches Profil gewinnen zu können. Zur Ehrenrettung der SPD kann nicht einmal Unkenntnis und fehlender Durchblick angeführt werden.

Die sozialdemokratischen Spitzenpolitiker in und außerhalb Hamburgs wissen sehr wohl, daß es gar keine „zumutbare“ Arbeit gibt, die man den Arbeitslosen anbieten könnte. Man ist noch nicht einmal in der Lage, den jugendlichen Sozialhilfeempfängern genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Insofern kommt die sozialdemokratische Hilf- und Ideenlosigkeit einer direkten Abwendung von den Armen und Hilfebedürftigen gleich.

Schäbige Symbolpolitik, nichts weiter. Die immer wieder gern und oft zitierten SPD-Lieblingsworte von der „Solidarität“ und der „sozialen Gerechtitgkeit“ werden so gänzlich zu Floskeln. Mit dem Richtungswechsel geben die Sozialdemokraten außerdem der CDU recht. Christdemokraten können mit Häme zur Kenntnis nehmen, daß nun auch die andere große Volkspartei zur Einsicht gekommen ist, nach der Stützeempfänger eigentlich nur faul sind. Nur: Wozu braucht diese Republik noch die SPD, wenn die Parteien rechts von ihr die Politik für die Erfolgreichen viel erfolgreicher repräsentiert? Silke Mertins