Weltbank fördert eine Öllache

WEED und WWF kritisieren die Vergabepolitik. Gelder für Sanierung der russischen Ölindustrie in dubiosen Kanälen versickert  ■ Aus Bonn Jochen Pfender

Die Weltbank wird nach Angaben der Umwelt- und Entwicklungsorganisationen Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED) und Worldwide Fund for Nature (WWF) die Erdölförderung in Sibirien mit einem Kredit von rund 500 Millionen US-Dollar (750 Millionen Mark) fördern. Der neue Kredit soll für die Erschließung eines neuen Erdölfeldes in der noch relativ unberührten westsibirischen Region Nord-Priobskoje am Fluß Ob verwendet werden. Die Erschließung dieses Erdölfeldes könne aber katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt der Region haben, so Barbara Unmüßig von WEED. Deshalb haben die beiden Organisationen gestern in Bonn den Stopp dieser Kredite gefordert.

Mit dem Kredit wird ein russisch-amerikanisches Joint-venture zwischen dem russischen Erdölkonzern Juganskneftegas (JNG) und dem US-amerikanischen Ölmulti Amoco gefördert, das an der Ausbeutung des Ölfeldes zu gleichen Teilen beteiligt ist. Die WEED-Expertin Ellen Schmidt warnte, die Ausbeutung des riesigen neuen Ölfeldes sei ein unnötiges Anzapfen wichtiger Ressourcen und eine Gefahr für die dort lebenden indigenen Völker. „Westsibirien ist schon heute wegen vieler Ölkatastrophen ein ökologisches Notstandsgebiet.“ Das Projekt soll laut Weltbank-Richtlinie eine Pilotfunktion für die Erschließung weiterer Ölfelder am ökologisch sehr sensiblen Nordpolarmeer besitzen.

WEED und WWF warfen der Weltbank vor, mit ihrer Kreditvergabepolitik eher politische Zwecke und schnelle Deviseneinnahmen zu verfolgen, als eine sozial und umweltpolitisch tragfähige Entwicklung Rußlands. Stephan Singer, Energieexperte des WWF, bezeichnete die Integration Rußlands in den Weltmarkt als das Hauptziel der Weltbankpolitik. Dabei spiele der Öl- und Gassektor der Rohstoffindustrie mit etwa 80 Prozent Anteil am russischen Exportvolumen eine wichtige Rolle. Singer erinnerte daran, daß Rußlands Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin vor seiner politischen Laufbahn Vorsitzender von Gasprom gewesen war, des größten russischen Energiekonzerns.

WEED und WWF forderten die Weltbank auf, statt der Ausbeutung neuer Ölfelder die Nutzung der Energiesparpotentiale Rußlands, die über 40 Prozent der Primärenergie betrügen, zu unterstützen. „In Rußland kann soviel Energie gespart werden, wie Deutschland im ganzen Jahr verbraucht. Entsprechende Weichenstellungen der Weltbank für einen effizienteren Energieeinsatz fehlen in Rußland völlig“, forderte Singer. Ohne Rücksicht auf eine langfristige Ressourcenplanung gebe die Zunahme russischen Rohöls auf dem Weltmarkt durch die Erschließung neuer Ölfelder die falschen Impulse für einen steigenden statt für einen fallenden Ölverbrauch. Entgegen eigenen Versprechungen investiere die Weltbank somit faktisch in die globale Klimaerwärmung. Die beiden Umweltorganisationen mahnten dringend eine ökologische Instandsetzung und Modernisierung der bestehenden russischen Ölförderungsanlagen und des Pipeline-Netzes an. Außerdem soll eine unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung für das Joint- venture-Projekt durchgeführt und die Verantwortlichkeiten im Falle eines Ölunfalls vorab geklärt werden. Bisherige Weltbank-Kredite seien nicht wie versprochen für die Instandsetzung brachliegender Ölfelder und Infrastrukturen wie etwa Pipelines genutzt worden. Vielmehr seien die Gelder ohne Wirkung verschwunden.

Nur ein Moratorium, also ein freiwilliger Verzicht auf die Neuerschließung von Ölfeldern in Westsibirien, könnte die katastrophale ökologische Situation dieses Gebietes mindern. Die beiden Organisationen forderten die Bundesregierung auf, ihren Einfluß in der Weltbank geltend zu machen und ihre Forderungen nachhaltig zu unterstützen.