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Gedeckelte Fürsten

■ Kanzler lehnte gestern Klage gegen die EU ab

Kaum hat der Bundeskanzler seine Arbeit wieder aufgenommen, haut er mit gebräunter Faust auf den Tisch und pfeift die Nationalisten und Eurogegner innerhalb seiner Reihen zurück. Bonn wird also nicht gegen die EU klagen. Kohls Botschaft ist eindeutig: Partikularinteressen gelten ihm wenig, wenn es um die europäische Integration geht. Ja, er profiliert sich als Bewahrer der Maastrichter Verträge – und so zugleich als Dämpfer nationalistischen Gedankenguts.

Drei Wochen schwieg er, während die in regionalen Kategorien denkenden Landesfürsten Biedenkopf, Schröder und Stoiber darauf beharrten, ihre Brüssel ignorierende Politik durchzusetzen. Wie schon bei früheren Gelegenheiten versuchten sie den europäischen Einigungsprozeß auszuhöhlen.

Doch als echter Enkel Konrad Adenauers sieht sich Helmut Kohl einschließlich seiner Bundesregierung als „europapolitischen Motor“. Der Vertrag von Maastricht – das ist während der Jahre 89 ff. von vielen seiner völkisch orientierten Parteifreunde vergessen worden – ist ihm nicht weniger wichtig als die Wiedervereinigung.

Wunderlich war nur, daß der Kanzler nicht früher seinen Parteifreund Kurt Biedenkopf disziplinierte. In Sachen Mehrwertsteuererhöhung meldete sich der Kanzler ja auch aus der Sommerfrische und tat seine Meinung kund. Doch er wartete offenbar nur ab – um gleich noch den genesenen Wirtschaftsminister Rexrodt am Kabinettstisch in seine Schranken zu verweisen. Hatte der doch nach einem Gespräch mit EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert am Freitag durchblicken lassen, die Bundesregierung werde gegen die Kommission klagen.

Kohl hat dies gestern abgelehnt. Und welch ein Affront, welch ein Eingeständnis des eigenen Versagens wäre dies auch gewesen. Mit einer juristisch wackeligen Klage würde Bonn allen Europäern (und Deutschen) zeigen, daß die Industriepolitik in Ostdeutschland gescheitert ist. Allen wäre dann klar, daß die dortige Wirtschaft auf Jahre am Steuertropf hängen muß, um wenigstens annähernd zu überleben.

In Zeiten, in denen die Regierung AB-Maßnahmen in Ostdeutschland zusammenstreichen will, wäre ein derartiges Signal innenpolitisch kontraproduktiv – und EU-politisch fatal. Ulrike Fokken

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