Palaver bei der SPD

■ Lafontaine: Soziale Marktwirtschaft als Modell für die Weltwirtschaft

Berlin (taz) – Rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl 1998 versucht die SPD sich als Wirtschaftspartei zu profilieren. Eine neue Tradition wolle die Partei begründen, sagte gestern der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine zur Eröffnung der ersten „Internationalen Wirtschaftstagung der SPD“ in Bonn. In Zukunft sollen jedes Jahr nach der parlamentarischen Sommerpause WirtschaftsexpertInnen bei den Sozialdemokraten tagen und über Standort, Weltwirtschaft und Beschäftigung debattieren.

Angesichts von offiziell vier Millionen Arbeitslosen stellten gestern internationale ArbeitsmarktwissenschaftlerInnen Wege zu einer „neuen Beschäftigungspolitik für Deutschland“ vor. Von dem „überkommenen Bild der Vollbeschäftigung“ müßten sich die Deutschen lösen, sagte Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Denn wirtschaftliches Wachstum und Vollbeschäftigung wie in den sechziger Jahren sei in Deutschland nie mehr zu erreichen. Flexible Arbeitszeitmodelle müßten daher vorangetrieben werden, „wozu die Arbeitsmarktpolitik einen wesentlichen Beitrag leisten kann“.

Schmid plädierte ganz auf SPD- Linie: Mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, einen staatlichen Übergangsarbeitsmarkt und langfristig kürzere Arbeitszeiten. Die noch verdienenden ArbeitnehmerInnen sollten nur noch 30 Stunden arbeiten und sich in ihrer hinzugewonnenen Freizeit weiterbilden. Die ArbeitnehmerInnen würden so dem technologischen Wandel auf der Spur bleiben und gleichzeitig neue Dienstleistungsbetriebe ausbauen. Wenn der Staat derartige „Brücken zwischen verkürzter und vollzeitiger Beschäftigung“ fördere, könnten bis zu 800.000 ArbeiterInnen damit aufgefangen werden. Insgesamt sind in Schmids Arbeitsmodell „bis zu fünf Millionen Beschäftigungsverhältnisse“ vorgesehen, wenn diese öffentlich subventioniert würden.

Parteichef Lafontaine ist einen Schritt weiter. Bei fortschreitender Globalisierung müsse die Politik weg von „nationalstaatlichen Kategorien“ und international besser zusammenarbeiten. In der Europäischen Union habe sich gezeigt, daß die „soziale und ökologische Marktwirtschaft“ politisch durchsetzbar ist. Sie sollte auch die Weltwirtschaft lenken.

Der Euro müsse zum festgelegten Zeitpunkt 1. 1. 1999 eingeführt werden. Denn instabile Wechselkurse und Verluste daraus würden die deutsche Wirtschaft weit mehr lähmen und die Lohnstückkosten nach oben treiben als hohe Sozialabgaben. Selbst der BDI habe dies festgestellt. „Wir müssen verhindern, daß die Globalisierung zu einer unzumutbaren Erosion der sozialen Sicherungssysteme führt“, sagte Lafontaine. ufo