: Keine Frage der Ehre mehr
Peinlich für Statt Partei: Zurückgetretener Parteischiedsrichter Stefan Wartisch tief in rechte Szene verstrickt ■ Von Andreas Speit und Silke Mertins
Das Hamburger Statt-Partei-Mitglied Stefan Wartisch ist tiefer in die rechte Szene verstrickt als bisher angenommen. Trotz Bedenken einzelner Stattianer wurde der Altonaer Rechtsanwalt in der vergangenen Woche zum Parteischiedsrichter gewählt. Der Grund war eine „Ehrenerklärung“ des Vize-Partei-Chefs Andrè Becker. Der wollte herausgefunden haben, daß an den Vorwürfen der Rechtslastigkeit nichts dran sei.
Tatsächlich aber hat Wartisch nicht nur für die Wochenzeitung der „Neuen Rechten“, die Junge Freiheit, demonstriert und Artikel geschrieben. Aus einem Bericht des Ostpreußenblatts (13.1.96) geht hervor, daß er weitaus aktiver in politischen Gruppen am rechten Rand ist, als er vor seinen Parteikollegen zugegeben hat. „Sonnabend, 20. Dezember, 16 Uhr, Feierstunde zum 125. Reichsgründungstag nahe bei Hamburg, Festredner ist Stefan Wartisch, Mitbegründer des Hamburger Kreises“, heißt es im Ostpreußenblatt. „Anschließend Ostpreußenlied und Kranzniederlegung.“
Der „Hamburger Kreis“ ging aus dem Umfeld der Jungen Freiheit hervor. Als Vorläufer dieses nationalistischen Lesezirkels gilt der ebenfalls von Wartisch 1994 mitgegründete „Junge Freiheit Lesekreis“. Doch weil das Blatt angeblich „herumliberalisierte“, distanzierte die Gruppe sich. Wartisch hob mit Gleichgesinnten den „Hamburger Kreis“ aus der Taufe. Der Hamburger Verfassungsschutzbericht 1995 beschreibt den „Hamburger Kreis“ als rechts von der Jungen Freiheit stehend. Der „Hamburger Kreis“ berufe sich auf ein Demokratieverständnis von Arthur Moeller van den Bruck, nach dem Demokratie auf dem „Blute“ und nicht auf dem „Vertrag“ beruhe. „Der hier erkennbare befreiungsnationalistische Denkansatz ist ein klassisches Ideologem der völkisch-nationalrevolutionären Neuen Rechten und markiert den dort angesiedelten Standort des Hamburger Kreises“, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Der Hamburger Kreis organisierte außerdem im Haus der „Burschenschaft Germania“ Veranstaltungen mit rechten Größen wie Hermann Thiele, häufiger Referent im Neonazi-Zentrum Hetendorf oder Manfred Rouhs, Mitglied der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“. Schon in der Schülerzeitung „OO“ schrieb Wartisch 1983: „Die Gebiete östlich von Oder/Neiße sind deutsches, fremdverwaltetes Gebiet.“
„Ohne die Ehrenerklärung von dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Andrè Becker wäre Stefan Wartisch nie gewählt worden“, windet sich Statt-Gruppen-Chef im Rathaus Achim Reichert. Er sei „zuversichtlich“, daß Statt Partei „sensibel darauf reagieren wird“. Schließlich sei schon der überraschende Rücktritt von Wartisch am Tag nach seiner Wahl „nicht ganz freiwillig“ gewesen. Die derzeitigen Vorwürfe seien schon „einen Zahn schärfer“ als „ein optisches Manko“, fühlt sich auch Partei-Chef Siefke Kerwien „unwohl“. Man habe offenbar bei den Recherchen „nicht tief genug gegraben“. Wartischs Aktivitäten in der rechten Szene könnten der Partei „großen Schaden“ zufügen; eine Mitgliedschaft im „Hamburger Kreis“ sei „unvereinbar mit den Grundsätzen von Statt Partei“. Über ein Ausschlußverfahren will der Vorstand am 10. September entscheiden.
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