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Europa vermarktet, Übersee produziert

■ Die Japaner investieren mehr in die Nutzung von Photovoltaik als die Europäer. In Amerika funktioniert die Zusammenarbeit mit den Stromkonzernen. Doch Europa entwickelt den größten Absatzmarkt. Einige

Europa hat im Vergleich zu Japan und den USA den stabilsten Markt für die Photovoltaik. Gleichzeitig ist jedoch der Widerstand der Energieversorger in Europa – und hier vor allem in Deutschland – verglichen mit den USA und Japan sehr ausgeprägt. Europa ist auch der erste Markt der industrialisierten Welt, der sich mit der dramatischen Kürzung von Regierungszuschüssen herumärgern mußte. Neben den Budgetkürzungen in den einzelnen europäischen Ländern kam in den letzten Jahren zusätzlich ein schmerzlicher Rückgang der EU-Fördergelder hinzu. Plötzlich war es notwendig, den Markt in althergebrachter Weise zu entwickeln: durch Marketing, Werbung und Investitionen in die Ausbildung. Als Ergebnis hat Europa den fortschrittlichsten Markt für Photovoltaik weltweit.

England

In England ist die Welt für die Stromkonzerne noch in Ordnung. Gezahlt wird für privaten Solarstrom gerade mal 2,5 Pence, also etwas mehr als 5 Pfennig pro Kilowattstunde (kWh). Wenn überhaupt, „denn wenn sie nicht zahlen wollen, dann zahlen sie auch nicht“, beschreibt Mike Pitcher von BP Solar, Europas größtem Modulproduzenten, die Situation.

Eine Gesetzesgrundlage wie in Deutschland, die die Energieversorger zur Abnahme verpflichten würde, fehlt in England. Staatliche Zuschüsse für Solarstromanlagen gibt es nicht, hat es noch nicht gegeben und wird es sobald auch nicht geben. Einzige Ausnahme: Zuschüsse für wissenschaftliche Forschungsanlagen. Greenpeace U.K. hat vorgeschlagen, die Photovoltaik in die Verpflichtung zur Vermeidung fossiler Energieträger (Non-Fossil Fuel Obligation, NFFO) aufzunehmen. Falls dieser Vorschlag von der Regierung aufgenommen wird, wären frühestens ab 1997 Fördergelder für Solarstromanlagen zu erwarten. Die NFFO verpflichtet die Stromproduzenten, einen vorgegebenen Prozentsatz ihres Stromes aus erneuerbaren Energien anzubieten. Innerhalb dieses Programms sollen bis zum Jahr 2000 immerhin 1.500 Megawatt erneuerbare Energieträger installiert werden.

Spanien

Je ländlicher die Gegend, desto eher wird man in Spanien auf Solarenergienutzung treffen. Besonders die regionalen Energieversorger haben durch zahlreiche Förderprogramme die Elektrifizierung netzferner Gegenden durch Photovoltaikanlagen unterstützt. Dies hat dazu geführt, daß Spanien im Bereich der installierten Solaranlagenleistung auf Platz sechs liegt und bald Frankreich von Platz fünf verdrängen dürfte. Zur Freude der beiden spanischen Modulproduzenten: Isofoton an der Costa del Sol und BP Solar España in der Nähe von Madrid mit einer Jahresproduktion von 3,25 Megawatt. BP Solar ist mit einer europaweiten Produktion von 7 Megawatt nach Siemens Solar und Solarex weltweit der drittgrößte Modulproduzent.

Frankreich

Auch in Frankreich scheint die Sonne zwar ausgiebig, aber weitgehend ungenutzt. Der Anteil des ins öffentliche Netz eingespeisten Solarstroms liegt knapp unter der Nachweisgrenze. Lediglich fernab des französischen Stromnetzes stößt man auf Solarstrom-Inseln und einzelne Anlagen für den Hausgebrauch, meist vom französischen Modulhersteller Photowatt. Dieser hat 1995 als einziger europäischer Modulproduzent seinen Absatz steigern können und stellt momentan Module für etwa 500 Einfamilienhaushalte pro Jahr her. Photowatt ist führend in der Produktion von superdünnen und damit materialsparenden Siliziumwafern. Eine Solarstromvergütung über die vermiedenen Brennstoffkosten wird auch in Frankreich nicht gezahlt, dafür werden netzunabhängige Photovoltaiksysteme mit bis zu 90 Prozent der Installationskosten gefördert: 65 Prozent übernimmt die französische Organisation für erneuerbare Energien FACE, 10 Prozent die Regierung und 15 Prozent die Electricité de France, Frankreichs „one-and- only“ Energiekonzern. Wer sich durch alle Antragsformulare gekämpft hat, wird sich den Zuschuß redlich verdient haben.

Italien

Italiens Stromversorgung obliegt der ENEL, einem staatlichen Unternehmen, das momentan privatisiert wird. Nach abgeschlossener Privatisierung möchte ENEL mit einem bereits jetzt schon als „Half- Lira-Offensive“ bekannten Vorschlag an die Öffentlichkeit treten, der vorsieht, auf jede verkaufte Kilowattstunde einen halben Lira aufzuschlagen und aus diesem Fundus die Erforschung erneuerbarer Energien zu finanzieren. Währenddessen denkt Italiens Photovoltaik-Rebell eher an die Anwendung: Franco Traverso, Geschäftsführer des italienischen Modulproduzenten Helios, hat sich bisher noch nie auf Regierungszuschüsse oder Unterstützung durch ENEL verlassen. Auch von der Half-Lira-Initiative wird Helios nicht profitieren. „Wir machen auch ohne Unterstützung 20 Prozent Gewinn“, erklärt Traverso, „die Stromkonzerne versuchen nur, dich aufzusaugen und zu vernichten“.

Niederlande

In Holland sind nach Italien, der Schweiz und Deutschland, die meisten solaren Megawatt installiert. Die sehr positive Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Nutzung erneuerbarer Energien hat jetzt den Modulhersteller R&S ermutigt, seine Kapazität auf 2,5 Megawatt pro Jahr auszudehnen. Auch im Bereich Wechselrichter sind die Holländer aktiv: Bereits zwei Firmen bieten modulintegrierte Wechselrichter als Alternative zu großen zentralen Geräten an. Das so entstandene Wechselstrom-Solarmodul – von der Firma OKE bis 140 Watt, von Mastervolt bis 130 Watt – kann direkt und ohne weitere technische Zwischenkomponente zur Umwandlung des Gleichstroms in Wechselstrom den Fernseher, Computer oder Kühlschrank versorgen.

Aus den Niederlanden kommt auch die Idee des „Green-Pricing“. Hierbei wird von einigen Stromkunden freiwillig ein Aufschlag auf die Stromrechnung gezahlt, der von den Stromkonzernen für erneuerbare Energien ausgegeben wird. Dieses Modell ist vor einigen Monaten vom deutschen Stromkonzern RWE aufgegriffen und dann von diversen Umweltschutzvereinen als „gift-grün“ angegriffen worden. Denn wer käme auf die Idee, Beiträge für Kohle- oder Atomstrom auf freiwilliger Basis zu bezahlen?

Deutschland

Nach dem Rückzug der Energieversorger aus dem Photovoltaikgeschäft haben inzwischen mehrere Firmen begonnen, die Lücke zu schließen. Solarmodule werden inszwischen von der Solar Fabrik in Freiburg und von RAP Mikrosysteme in Wernigerode angeboten. Die Firmen sunways in Baden- Württemberg und ErSol in Erfurt wollen in Kürze folgen. ErSol und RAP werden auch Solarzellen herstellen.

Verschiedene Dachziegelhersteller, unter anderem die Firma Braas, sind dabei, in den Solarbereich einzusteigen und werden zukünftig Dachziegel mit integrierten Solarzellen anbieten. Die kostendeckende Vergütung wird bereits in über 20 Städten gezahlt. Mit 2 Mark pro Kilowattstunde Solarstrom lassen sich Solaranlagen über eine Lebensdauer von 20 Jahren refinanzieren. Wieviele Städte inzwischen über eine derartige Förderung nachdenken, weiß momentan niemand mehr exakt. Jedenfalls sind es genügend, um die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) zur Herausgabe einer „Wie ich kV in meinem Versorgungsgebiet verhindere“- Broschüre zu veranlassen. Als Empfehlung finden die Energieversorger darin die Einführung eines „Grünen Tarifs“. Fazit: Insgesamt sonnige Aussichten in Deutschland. Eigentlich zieren sich nur die Energieversorger, diese dafür aber gründlich.

Schweiz

Um den Strombedarf durch Solarenergie zu decken, bräuchte man in Mitteleuropa pro Person eine Fläche von mindestens 10 Quadratmeter Solarzellen, das entspräche 1.000 Watt. Immerhin knapp ein Promille, nämlich 0,9 Watt, haben die Schweizer davon bereits erreicht, wenn die in der gesamten Schweiz installierten Solaranlagen auf die Bevölkerung umgerechnet werden. In Burgdorf, der ersten Stadt weltweit, die eine nahezu kostendeckende Bezahlung für eingespeisten Solarstrom eingeführt hat, sind es sogar 14 Watt pro Einwohner.

Dieser Spitzenplatz soll mit der Solarinitiative, die Ende letzten Jahres in die Öffentlichkeit trat, gehalten werden. Die Solarinitiative ist während der letzten anderthalb Jahre erarbeitet worden und wird von gut 200 Persönlichkeiten, darunter 30 eidgenössischen ParlamentarierInnen, getragen. Über den Vorschlag, wonach zur Förderung der Sonnenenergienutzung auf jede Kilowattstunde eine Abgabe zwischen 0,1 bis 0,5 Rappen erhoben werden soll, wird das Schweizer Volk abstimmen. Thomas Nordmann, Geschäftsführer der Firma TNC Consult, räumt der Initiative immerhin eine 50prozentige Erfolgschance ein. Besonderen Wert wird in der Schweiz auf die Heranführung der Jüngsten an die Solarenergie gelegt: Bereits jede fünfte Solaranlage steht auf einem Schuldach.

Österreich

In Österreich wird 1998 die zweite Weltkonferenz für Photovoltaik abgehalten. Bis im Tagungsort Wien allerdings eine kostendeckende Vergütung gezahlt würde, was etwas mehr 10 Schilling pro kWh entspräche, könnte es noch etwas länger dauern, so ein Sprecher der Sonnenenergievereinigung Eurosolar. Momentan werden in Purkersdorf und Gleisdorf 10 Schilling pro Kilowattstunde Sonnenstrom vergütet. Im übrigen Österreich müssen sich die Solarstromerzeuger mit 1,80 Schilling begnügen.

Skandinavien

Hier wird Photovoltaik zumeist nur als Stromquelle in netzfernen Gegenden genutzt, vorzugsweise bei Ferienhäusern. Beispielsweise sind etwa die Hälfte aller 400.000 finnischen Ferienhäuschen nicht an das öffentliche Netz angeschlossen, und zwischen 15.000 und 20.000 davon besitzen eine Solaranlage. Die installierte Leistung von Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark zusammen lag Ende 1993 erst bei knapp zweieinhalb Megawatt und erreichte damit noch nicht einmal die Hälfte der Leistung, auf die zu diesem Zeitpunkt bereits die Schweizer zugreifen konnten. Anlagen, die mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden sind, fehlen auch heute noch nahezu vollständig. Trotzdem möchte man den Anschluß an einen möglichen neuen Markt nicht verpassen. Der Modulproduzent Solel in Dänemark baut seine Produktion aus. Finnland besitzt mit der Firma NAPS eine Produktionsstätte in Frankreich und auch Schweden ist aktiv: Im Land der Mitternachtssonne stellt Gällivare Photovoltaic Solarmodule her. Die Zellen werden von verschiedenen Herstellern gekauft, die fertigen Module vorzugsweise in Deutschland eingesetzt.

Europa

Europa ist die Geburtsstätte der kostendeckenden Vergütung, hier wird Photovoltaik in Lärmschutzwände integriert, gibt es Schulungsprogramme für Architekten, Lehrer, Ingenieure und Studenten. In Europa steht das weltweit größte Photovoltaikkraftwerk (in Serre, Italien) und die größte dachaufgeständerte Anlage (Bonn). Allen Unkenrufen zum Trotz wird die Entwicklung in Europa von den USA und auch in Japan als wegweisend betrachtet. Auf der anderen Seite haben in Europa einige Zell- und Modulhersteller ihre Produktionen zurückgefahren oder sogar eingestellt.

Unter den Modulherstellern nimmt Europa nicht gerade einen Spitzenplatz ein. Nur knapp ein Viertel aller weltweit produzierten Module wird hier gefertigt. Dabei ist der Marktanteil prozentual gesehen seit Anfang der neunziger Jahre leicht rückläufig. Während vor allem Japan und die USA die Produktionsmengen erhöhen, stagnieren die Kapazitäten in der Alten Welt. Auch das Problem der Siliziumverknappung wird in Europa nicht offensiv angegangen, sondern beschränkt sich auf ein halbherziges Angebot für eine Solarsiliziumproduktion von Bayer.

Zusammenfassend kann man sagen, daß Europa im Photovoltaikbereich momentan die Quelle für Markt- und Prozeßinnovationen ist. Zwar wird in Japan mehr investiert und in den USA klappt die Zusammenarbeit mit den Stromversorgern weit besser, doch Europa hat es als erstes geschafft, mit dem Mechanismus der kostendeckenden Vergütung einen nachhaltigen Markt zu schaffen. Anfangs mögen hierbei die Marktvolumen noch hinter Japan oder den gigantischen Megawattprojekten der USA zurückstehen, aber langfristig wird der europäische Markt auch dann noch kontinuierlich wachsen, wenn in den USA die Gelder vom „Department of Energy“ wieder gekürzt werden.

Fragt sich nur, woher die Module dann kommen. Anne Kreutzmann

Die Autorin ist Geschäftsführerin des Solar Verlages in Aachen. Die seit Februar dieses Jahres von dem Verlag herausgegebene Zeitschrift „Photon“ berichtet alle zwei Monate über das weltweite Geschehen rund um die Solarenergie. Kostenloses Probeheft bei: Solar Verlag, Wilhelmstraße 34, 52070 Aachen.

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