Beirat meets Kids

■ Viertel-Kids besiegen Beirat mit 4:2 /hitzige Festlaune in kühler Sommernacht

Der Kampfring ist in gleißendes Scheinwerferlicht getaucht, fetziger Hip-Hop sprudelt aus den Lautsprechern, die Viertel-Kids vom Lagerhaus kreiseln sich bereits mit einer schnittigen Break-Dance-Nummer warm. In letzter Minute trommelt Robert Bücking, Ortsamtsleiter in Bremen-Mitte, sein Team zusammen, schmeißt grüne Trikots in die Runde und schickt 14 Beiratsmitglieder mit einem letzten Schulterklopfen in den Ring. Eine musikalische Fanfare ertönt: der sportliche Wettkampf zwischen Kommunalpolitikern und Kids aus dem Viertel am Samstag abend auf dem 1/4-Fest ist eröffnet.

Jonny Pröser, Showmaster und jugendlicher Viertelparlamentarier, hat sein Publikum und die beiden Mannschaften voll im Griff. Wer noch keinen Wettschein hat, „der ist selber schuld“, läßt er die feixenden Zuschauer am Sielwall- eck wissen, die mit Biergläsern und Zigaretten in der Hand gebannt auf die gleißende Flutlichtarena starren. Das Wettbüro ist eröffnet, und Jonny schickt die erste Beiratspolitikerin gegen Carolin vom Viertelparlament zugunsten des geplanten „Sportgartens“ in der Pauliner Marsch ins Rennen. „Setzen sie auf den Beirat“, läßt Jonny die Zuschauer wissen, „das lohnt sich mehr“. Lässig führt er das Mikro zum Mund, als hätte er bereits über 100 Show-Boxwettkämpfe moderiert: zwei kreisende Hüften gehen in die „Hula-Hoop-Disziplin“ und Jonny hat das Publikum bereits auf seiner Seite. Als der erste Reifen traurig zu Boden fällt, gibt's einen Riesenapplaus für die Kids: Carolin hatte einfach den längeren Atem.

Doch die Kids hatten nicht mit Susanne Pas, dem grünen Beiratsmitglied, gerechnet. Die ließ ihre Taille ganz ruhig statt jugendlich zackig kreisen, riß jubelnd die Arme hoch und errang mit dieser kühnen Hula-Hoop-Taktik einen beruhigten Gleichstand von 1:1. Siegestaumel im Beiratslager, ein strahlender Robert Bücking, die 14köpfige Mannschaft stößt eksta- tische „Beirat, Beirat“-Rufe aus, und Moderator Jonny muß wohl oder übel zugeben: „So schlecht ist der Beirat doch nicht.“ Zu früh gefreut: Thomas und Melitta Bendlin, „wir sind vom Beirat beauftragt worden“, legten zwar beim „battle dance“ eine heiße Rumba aufs Parkett. Aber das männliche Mitglied im SPD-Ortsverein Peterswerder-Steintor sah gegen die schnittige Break-Dance-Nummer der Lagerhaus-Jungs „ziemlich alt aus“. Selbst das zweite Beiratspaar konnte mit ihrem exzellenten Beinschwung keine Pluspunkte machen. Verkrampft starrte der Sackoträger auf den Boden und schleifte seine distinguierte Partnerin über das Holzparkett. Der entscheidende Applaus ging deshalb an die jungen Tänzer vom Viertelparlament.

Dieses tragische 2:0 wollte Michael Glintenkamp, CDU-Sprecher im Beirat Mitte-Östliche Vorstadt, nicht auf sich sitzen lassen. In blauer Trainingshose schwang der sich auf den Home-Trainer und trat schnaufend und schwitzend gegen Jan in die Pedale. Der Tacho aber brachte die schreckliche Wahrheit ans Licht. Mit 3800 Metern fuhr Jan mit satten 300 Metern Vorsprung davon. Da half auch kein Freddie Mercury mehr, der mit „I want to ride my bicycle“ das Blut in Wallung bringen sollte. Mit einem 3:0 gehen die stolzen Viertel-Kids in die Pause, und das Publikum darf auftanken.

Rasch zieht es die durchgefrorenen Körper an warme Freßstände. Würziger Duft streicht um die kalten Nasen und lädt zum Schlemmen ein. An der indianischen Backspezialitäten-Bude läßt es sich herrlich aufwärmen, denn dort strömt heiße Backluft nach draußen, während die Gruppe „Schub feat. Cribb 199“ bitterbösen Hip-Hop-Verschnitt ins Publikum dröhnt - nichts für zartbesaitete Ohren: Eine ältere Dame im Pelzmäntelchen greift mißmutig zum schmalzigen Puderzucker-Brot und murmelt: „Da können sie ja gleich das Radio ganz laut drehen“, und verschwindet in der Menge. Daß sie dann noch von einem Volltrunkenen angetorkelt wird, der nach langem Lallen feststellt, daß „heute Sonnabend“ ist, scheint ihr den Rest zu geben: Sie verzieht keine Miene mehr.

Lautes Wummen, Gedröhne und dumpfer Schall legt sich über den Ostertorsteinweg, öliger Würstchenduft mischt sich mit aromatischem Asia-Snack-Geruch. Im Menschengetümmel trifft brauner Kampfhund auf schwarzen Schäferhund und so mancher auf schon lange vermißte Freunde.

Das kennen wir schon vom Freimarkt. Doch wie die Kids vom Viertelparlament stolz ihren Siegespokal in die Luft recken, das ist einmalig, das ist superlativ, und das soll immer wieder so sein: Wenn die Kids Glück haben, bald im geplanten „Sportgarten“ in der Pauliner Marsch mit Basketballfeldern, Hockeyplätzen und Streetsoccer. Dann können die Beiratsmitglieder Revanche fordern und ihre Niederlage in der entscheidenden und letzten Wettkampfdisziplin an diesem Abend wieder wettmachen: Die Jungs kickten sie im „Straßenfußball“ mit 3:2 aus dem Rennen und der Wettkampf „Viertelparlament meets Beirat“ ging mit einem 4:2 Sieg für die Kids zu Ende.

Katja Ubben