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Pflugs Wegweiser

■ Galerie im Medienhaus: Bernd Müller-Pflug stellt Fragen an die Wahrnehmung / Collagen als Antwort

Ein Verdienst der Galerie im Medienhaus an der Schwachhauser Heerstraße ist die Präsentation noch weitgehend unbekannter KünstlerInnen aus der Region.

Während diese in anderen privaten Galerien häufig nur dann in den erlauchten Kreis der schon auf dem Kunstmarkt Arrivierten gestreut werden, wenn sie in ihren Ansätzen eine kommerzielle Verwertbarkeit versprechen, scheut sich die Galerie im Medienhaus nicht, auch schon mal eher unspektakuläre, „kleine“ Kunst ohne besondere Innovationskraft zu zeigen.

Dies führt zwar nicht zu einem wirklich ausgeprägten Profil des Ausstellungsortes, stellt für die hiesigen Künstler aber eine – wenn auch begrenzte – Ergänzung zu den öffentlichen Förderprogrammen und den damit verbundenen Ausstellungsmöglichkeiten dar.

Löblich zudem: Im Medienhaus verzichtet man bei etwaigen Werkverkäufen auf jegliche Galerieprovision und tätigt stattdessen nicht eben selten selber den einen oder anderen Ankauf bei den im Hause ausgestellten KünstlerInnen.

Dennoch versteht man sich hier nicht ausschließlich als „Entwicklungshelfer“ für ganz unbeleckte Neulinge, sondern präsentiert auch schon mal jemanden wie Bernd Müller-Pflug, der seit einigen Jahren fest von einer Düsseldorfer Galerie vertreten wird.

Seine derzeit im Medienhaus hängenden Bilder sind durchaus sehenswerte Collagen im Spannunsfeld zwischen Figürlichkeit und Abstraktion: eine „Malerei mit konstruktiven Tendenzen“, wie es im Katalog des inzwischen als Professor an der privaten Kunsthochschule Ottersberg lehrenden Malers heißt.

Alltagsgegenstände wie Tische, Körbe, Reusen und Kanus, in grober Strichführung zu beinahe abstrakten Vergitterungen und Verkantungen zeichnerisch dekonstruiert, sind die Ausgangspunkte der Bilder, mit denen Müller-Pflug „Fragen an die Wahrnehmung“ stellt, wie Kunstwissenschaftler Rainer B. Schossig schreibt. Da hängen hölzerne Miniaturen, die sich in immer wieder abgewandelter Form als Variationen zum Thema „Wegweiser“ verstehen, da werden Buchseiten aus Schlegels Naturphilosophie mit Symbolen überpinselt oder ein Text zur Kunst der Romantik mit einem expressionistisch getönten Schmetterling kontrastiert.

Als Höhepunkt solch dekonstruktivistisch-rekonstruktivistisch anmutender Kommentare erscheint in der Ausstellung ein Bild, in dem der Professor das Studienprogramm der anthroposophisch orientierten Kunsthochschule Ottersberg beinahe bis zur Unkenntlichkeit mit Farbflächen überdeckt. Doch wer in solchen Bildern eine inhaltlich motivierte Kritik zu sehen glaubt, sieht leider zu viel. Müller-Pflug nämlich versteht seine Werke einfach als ästhetische Wahrnehmungsobjekte und erklärt die übermalten Quellen rundheraus zu Zufallsfunden abseits jeder theoretischen Aussagekraft.

Für einen, der in seinem Lehrbetrieb vermutlich nicht unwesentlich gegen ideologische Überfrachtungen anzukämpfen hat, ist dies sicher notwendig. Schade nur, daß durch diesen Rückzug auf das „l'art pour l'art“ seinen Werken auch die für jede Interpretation erforderliche kunstwissenschaftliche Fundierung weitgehend abhanden kommt. Moritz Wecker

Bern Müller-Pflug, Malerei. Die Ausstellung in der Galerie im Medienhaus (Schwachhauser Heerstraße 78) läuft bis zum 22. Oktober. Öffnungszeiten: Mo. - Do. 10.00 - 17.00 Uhr, Fr. 10.00 - 15.30 Uhr.

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