: Alles muß man selber machen
■ LKW-Fahrer bedroht: Sohn vom Chef wollte nur sein Eigentum schützen und muß nun auch noch 4000 Mark Geldstrafe zahlen
Alles muß Dirk B. selber machen. Sein Grundstück muß er schützen vor LKW-Fahrern, die dort unbefugt wenden – und auf dem Hof eine Spur der Verwüstung durch Reifenabrieb hinterlassen. Und jetzt, nachdem ihm beherzte Selbsthilfe eine Anklage wegen Freiheitsberaubung eingebracht hatte, liegt auch B.s Verteidung vor Gericht in seinen eigenen Händen. Sein Rechtsanwalt hatte das Mandat nach dem ersten Verhandlungstag – „zur Unzeit“, wie der Angeklagte sagt – niedergelegt. „Und ein anderer Anwalt konnte sich in der Kürze der Zeit nicht umfassend in meinen Fall einarbeiten.“
Dirk B. ist Angestellter einer Spedition, Sohn vom Chef obendrein und gut Freund mit dem Firmenhund, einem Rottweiler. In Begleitung seines vierbeinigen Freundes soll er im März diesen Jahres einen LKW-Fahrer beim unbefugten Wendemanöver auf dem Firmengrundstück gestellt und zwecks Klärung von Schadensersatzfragen am Wegfahren gehindert haben (taz berichtete). Er habe nur sein Eigentum schützen wollen, erklärt der Angeklagte. Und das könne er ganz gut allein; das „beeindruckende und bildhübsche“ Tier sei nicht dabeigewesen.
Nicht nur daran hegte der Richter Zweifel; auch den Schoßhundattributen „friedliebend, streichelbar, selten bellend“, mit denen B. den Rottweiler am ersten Verhandlungstag beschrieben hatte, begegnete der Vorsitzende ausdrücklich mit Skepsis. Vergeblich beantragte B. daraufhin, den Richter „wegen Besorgnis der Befangenheit“ abzulösen. Und erfolglos beantragte er Freispruch in eigener Sache. Zu 4000 Mark Geldstrafe verurteilte ihn das Amtsgericht gestern wegen Freiheitsberaubung und Nötigung.
Vor einer Woche noch wäre B. mit einer Einstellung des Verfahrens gegen 1500 Mark Geldbuße günstiger und im juristischen Sinne unbestraft davongekommen. Dieses richterliche Angebot hatte er jedoch abgelehnt wie zuvor schon einen Strafbefehl über die gleiche Summe. Da Aussage gegen Aussage stehe, meint B., müsse eine Entscheidung „im Zweifel für den Angeklagten“ auch für ihn drin sein. Bei Richter und Staatsanwältin aber wollten sich Zweifel einfach nicht einstellen. Und ein Rottweiler sei nun objektiv ein gefährliches Tier, meint der Vorsitzende, auch wenn manch einer versuche, das schönzureden. Keine Angaben machte B. gestern, ob er das Urteil annehmen oder Berufung einlegen wird. Stefanie Winter
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