: Berliner PDS opfert Abgeordneten
■ PDS-Abgeordneter und Exhausbesetzer Over verläßt den parlamentarischen Verfassungsschutzausschuß
Berlin (taz) – Im Abgeordnetenhaus wurde es schon lange gemunkelt, gestern nun trat der Betroffene offiziell den Rückzug an: Freke Over, PDS-Abgeordneter und vor einigen Monaten zwangsgeräumter Hausbesetzer, verzichtet zugunsten der Parlamentsräson auf seinen Sitz im Berliner Verfassungsschutzausschuß.
Mit seinem Entschluß beendet der 28jährige ein bundesweites Unikum: Seit fast einem Jahr ist das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz ohne parlamentarische Kontrolle. Beharrlich hatte die CDU wegen Over die Konstituierung des Ausschusses verhindert. Den Vorwand hatte das Mitglied der AG Junge Genossen den Christdemokraten allerdings selbst geliefert: Er wollte seine Ausschußtätigkeit so offen wie möglich handhaben.
Ob CDU und SPD das selbstauferlegte Opfer der PDS honorieren und sich auf einen von der Fraktion noch zu nominierenden Nachfolger einlassen werden, ist offen. Overs Mitgliedschaft im Verfassungsschutzausschuß hatte die CDU zum Anlaß genommen, einen Rechtsstreit vom Zaun zu brechen und bei dieser Gelegenheit die Wahl sämtlicher Ausschüsse durch das Parlament verlangt. Zwar spricht die Landesverfassung von einer „Wahl“ durch das Plenum des Abgeordnetenhauses, doch die Fraktionen nennen in jahrzehntelanger Praxis ihre Vertreter selbst. Wohl nicht zu Unrecht argwohnen PDS und Bündnisgrüne, eine Abkehr vom bisherigen Verfahren könnte dazu führen, daß die Parteien der Großen Koalition bei einer generellen Wahl der Ausschüsse unliebsame Kandidaten durchfallen lassen könnten. Bei der ohnehin vorgesehenen Parlamentsreform befürchtet PDS-Fraktionschef Harald Wolf einen „Kuhhandel“: Die Ernennung der Ausschußmitglieder durch die Fraktionen bliebe, doch das für den Geheimdienst zuständige Gremium werde künftig durch das Parlament gewählt – damit wäre ein Fall Over von vorneherein ausgeschlossen. Dafür müßten CDU und SPD allerdings das Berliner Verfassungschutzgesetz ändern. Dem wollte Over mit seinem Verzicht zuvorkommen. Es gehe nicht um seine Person, mutmaßte Over. Ziel sei es, das 1989 unter Rot-Grün verabschiedete Verfassungsschutzgesetz zu „demontieren“.
Die Haltung der SPD ist unklar. SPD-Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller erklärte sybillinisch, in der Frage der personellen Besetzung des Verfassungsschutzauschusses „durch das Plenum“ sei seine Partei „offen“. Dies hänge nicht zuletzt vom PDS-Vorschlag ab. Severin Weiland
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