"Gott gebührt keine Männlichkeit"

■ Drei Religionen - ein Gott: Eine Bischöfin, eine Rabbinerin und die Leiterin einer islamischen Hamburger Gemeinde im religiösen Trialog

„Frau sein – fremd sein – offen sein“, unter diesem Motto wurde in Berlin zwei Tage lang der „Trialog“ zwischen jüdischen, islamischen und christlichen Frauen geübt. Dabei waren auch drei Frauen, die in den jeweiligen Religionsgemeinschaften hohe Ämter bekleiden: Maria Jepsen, die 1992 zur weltweit ersten protestantischen Bischöfin gewählt wurde, Bea Wyler, die erste Rabbinerin in Nachkriegsdeutschland, und Halima Krausen, Leiterin der deutschsprachigen islamischen Gemeinde in Hamburg.

taz: Fällt es Ihnen eigentlich schwer, stets mit einem männlichen Gott zu tun zu haben?

Maria Jepsen: Als ich eine junge Frau war, hat mich das nicht gestört, weil ich den Unterschied zwischen männlich und weiblich für nicht so wichtig hielt. Als ich dann etwas sensibler wurde, habe ich festgestellt, daß Gott neben den männlichen sehr viele weibliche Seiten hat.

Bea Wyler: Wenn ich von mir selbst fordere, für Veränderungen offen zu bleiben, dann kann ich sowohl mit einem männlichen oder weiblichen oder aber einem geschlechtslosen Gott gut leben.

Halima Krausen: Im Islam sehen wir Gott als den Transzendenten, der Männliches und Weibliches hervorgebracht hat. Seine Geschöpfe sind paarweise und ergänzen sich.

Viele Frauen fühlen sich aber von der patriarchalen Kultur der Weltreligionen ausgeschlossen.

Maria Jepsen: Alle leitenden christlichen Theologen würden leugnen, daß Gott ein Geschlecht hat. Trotzdem ist die Erscheinungsweise Gottes in Gebeten und Gesangsbüchern festgelegt. Unsere Kirche hat jahrhundertelang einen männlichen Gott verkündet. „Der Fürst“, „der Ritter“, das ist eine militärische Sprache, die mich erschreckt. Auch „Allmächtiger“ gebrauche ich persönlich nicht. Ich sage lieber „barmherziger Gott“, denn in der Barmherzigkeit steckt viel Mütterliches. Bei manchen von Männern abgehaltenen Gottesdiensten geht es mir schlecht, da spüre ich eine Männlichkeit Gottes, die ihm nicht gebührt.

Bea Wyler: In der jüdischen Tradition sind die Menschen Partner. Deswegen sollten wir nicht zuviel Energie darauf verwenden, wie wir Gott sprachlich definieren. Wir sollten mehr darauf achten, wie die patriarchale Tradition sich fortsetzt. In unserer Liturgie haben wir zahlreiche Texte, die auf unsere „Vorväter“ verweisen. Sollten wir hier nicht besser sagen: „Vorväter“ und „Vormütter“?

Halima Krausen: Manches ist auch ein Übersetzungsproblem. „Vorväter“? Korrekt übersetzt aus dem koranischen Arabisch müßte es „eure Vorfahren“ heißen, tatsächlich steht dann oft „eure Väter“. Oder wir lesen „Brüder“ statt „Geschwister“. Oder „eure Ehefrauen“ statt „eure Ehepartner“.

Maria Jepsen: Ich merke bei vielen Frauen, daß sie biblische Geschichten ganz anders auffassen als Männer. Sie sehen sich sehr oft in Sünde gestoßen. Wie also müssen wir unsere Verkündigung ändern, damit sie die befreiende Botschaft erkennen? Wir müssen neue Ausdrucksformen und Rituale finden. Männer können oft nicht verstehen, durch welche Worte Frauen sich kleingemacht fühlen, weil sie in diese Leidensgeschichte nicht eintreten. Das ist ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Christen und Juden – auch die Juden fühlen sich durch bestimmte Ausdrücke belastet.

Bea Wyler, Sie sagten einmal, feministische Anliegen würden in der jüdischen Tradition mehr gehört als jüdische in der feministischen. Warum?

Bea Wyler: Seit jüdische Frauen ihre Frustration formuliert haben, konnten sie in kürzester Zeit markante Veränderungen erreichen. Keine jüdische Frau muß heute Mitglied in einer orthodoxen Gemeinde sein, wenn sie es nicht will. Die Forderungen der Frauen sind vielleicht deshalb so schnell auf fruchtbaren Boden gefallen, weil die rabbinische Tradition eine des Streitgesprächs ist. Umgekehrt hat es bei den Feministinnen recht lange gedauert, bis sie gemerkt haben, daß sie recht antisemitische Aspekte formuliert haben.

Maria Jepsen: Unsere feministische Theologie hat ja gesagt: Mit Jesus ist alles anders geworden, er war der Frauenbefreier. Zugleich sind hier Antijudaismen hochgekommen, die erschreckend waren. Da wurde die jüdische Religion als schwarze Schablone genommen. Überhaupt läuft die christliche Theologie Gefahr, mit Schablonen zu arbeiten: schwarz–weiß, gut– böse, Mann–Frau, Geist–Körper. Insgesamt aber haben sich Feministinnen bisher recht wenig für religiöse Ansätze interessiert, erst seit etwa zwei Jahren nehme ich eine verstärktes Interesse autonomer Frauengruppen wahr. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, daß es jetzt mehr Frauen in leitenden Positionen gibt.

Halima Krausen: Feministinnen interessieren sich wenigstens fürs Judentum. Aber weder der Islam noch die Ansätze zur Frauenbefreiung im Islam stehen für sie zur Debatte. Denen könnte man genausogut erzählen: Im Himmel ist Jahrmarkt. Es interessiert einfach nicht. Interview: Ute Scheub