: Abweichende Meinung
■ Wrocklage will an „Rückführung“ bosnischer Flüchtlinge festhalten
Am 19. September will die Innenministerkonferenz erneut über die geplante „Rückführung“ bosnischer Kriegsflüchtlinge beraten, bereits jetzt verbreitet Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage, daß er selbst eine zwangsweise Rückführung ab dem 1. Oktober für „prinzipiell zumutbar“ hält. Im Anschluß an eine fünftägige Bosnienreise kamen Wrocklage und einige seiner Amtskollegen zu diesem Ergebnis, das von der Einschätzung vieler anderer Beobachter abweicht.
Der Wiederaufbauprozeß sei weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, erkennt auch Wrocklage und fordert bei der Rückführung „besonderes Augenmaß“. Er werde dennoch Bundesinnenminister Manfred Kanther den Rat geben, an dem Termin festzuhalten. Den Ländern werde „ein gewisser Spielraum zwischen Oktober und März 1997 gelassen“. Neben den freiwillig Zurückkehrenden werde es Abschiebungen nur dann geben, wenn keine Rechtsmittel anhängig seien und es tatsächlich technische Möglichkeiten für eine Rückführung gebe. Bis zum Jahresende werde dies nur wenige Personen betreffen.
Nach Angaben Wrocklages gibt es für viele Menschen in Bosnien- Herzegowina gute Möglichkeiten. „Handwerker können sich da jetzt eine goldene Nase verdienen.“ Es dürfe nicht nur an die Trümmerwüsten in Bosnien-Herzegowina gedacht werden. Die GAL-Bürgerschaftsfraktion denkt hingegen an die unbestritten bestehenden Gefahren für Leib und Leben der Flüchtlinge und übt scharfe Kritik an den geplanten Zwangsmaßnahmen. In der nächsten Bürgerschaftssitzung wird die GAL daher einen Antrag einbringen, mit dem der Senat ersucht werden soll, dem Beispiel Nordrhein-Westfalens zu folgen und die Rückführung der Kriegsflüchtlinge bis zum April kommenden Jahres generell auszusetzen.
Nach Ansicht der GAL-Abgeordneten Anna Bruns manövriert sich Innensenator Wrocklage „in eine völlig hoffnungslose Position“. Angesichts der internationalen Lage und auch der jüngsten Rechtsprechung werde eine Rückführung nicht funktionieren. taz
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