: Umtrunk mit der Kriegsmarine
■ Senatskanzlei rollt den roten Teppich für Besatzung des ehemaligen Folterschiffes „Esmeralda“ aus
Mindestens einmal sollten die Worte „Menschenrechte“ und „Demokratisierungsprozeß“ bei der Begrüßung der Seeleute der „Esmeralda“ im Rathaus fallen. Die „Esmeralda“, heute ein chilenisches Segelschulschiff, liegt seit gestern im Hafen. Nach dem Militärputsch in Chile 1973 wurde auf dem schmucken Viermaster gefoltert und gemordet; später war er ein Frauengefängnis.
Mit obigem Versprechen von Staatsamtsmann Reimer Rohde waren Marcelo Pino und andere Mitglieder der Chilenischen Jugend- und Kulturinitiative nach einem Gespräch am Morgen „zufrieden“. Zum Senatsfrühstück hatte dann Heinz Giszas, Staatsrat der Wirtschaftsbehörde, gegen Mittag 30 der 333 Besatzungsmitglieder des Viermasters „Esmeralda“ ins Rathaus geladen. Dieses ganze „protokollarische Zeremoniell“, so die Senatskanzlei, werde in Hamburg allen größeren ausländischen Marine-Schiffen zuteil.
Die meisten Chilenen in Hamburg waren vor dem Pinochet-Regime geflüchtet und empört, als sie für den kommenden Sonntag „zu einer Messe und einem Umtrunk“ auf der „Esmeralda“ eingeladen wurden – als hätte das Schiff keine Vergangenheit. Auch Vladimir Medalla ist chilenischer Flüchtling. „Wir haben in Hamburg soviel Solidarität erfahren“, sagt er. „Und nun wollen die gleichen Leute vom Senat, die uns damals unterstützten, daß wir mit den gleichen Leuten von der Kriegsmarine, die uns damals folterten, Wein trinken.“
Die Kulturinitiative hatte gestern versucht, mit den Matrosen auf der „Esmeralda“ zu reden. Augusto Pinochet ist immer noch Oberbefehlshaber des Heeres; auch in der Marine seien noch dieselben Männer in Rang und Würden wie vor der Demokratisierung. „Wir wissen“, sagt Marcelo Pino, „daß die jungen Kadetten mit dem Putsch nichts zu tun haben.“ Dennoch sei er sehr „aggressiv“ von ihnen behandelt worden.
Nun wollen chilenische Initiativen die Messe auf der „Esmeralda“ am Sonntag mit Protesten „begleiten“, da die zum Händeschütteln abgestellten Senatsvertreter sich nicht darüber im klaren seien, daß in Chile „ein Vergangenheitslöschprozeß“ im Gange sei, mit dem unaufgedeckte Verbrechen geleugnet werden sollten, erklärt Pino. „Die Esmeralda“, ergänzt Medalla, „ist ein Symbol für die Verletzung der Menschenrechte“ damals wie heute: Chile erscheint jährlich im amnesty international-Bericht.
„Es ist ohnehin gängige Praxis“, sagt Rainer Erbe, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, „daß bei solchen Gelegenheiten auf Menschenrechte“ hingewiesen werde. Im übrigen habe die Wirtschaftsbehörde mit der Veranstaltung nichts am Hut, auch wenn ihr Staatsrat zur Schiffsbegrüßung ausgeguckt worden sei. Das sei Sache der Senatskanzlei.
Deren Sprecher Franz Klein weiß nichts davon, daß gegenüber der „Esmeralda“-Besatzung von Menschenrechten gesprochen worden wäre: „Kapitän und Besatzung wurden behandelt, wie Vertreter eines demokratischen Staates behandelt werden.“
Ulrike Winkelmann
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