: Am Werktag will mein Süßer mit mir stempeln gehn
■ „Suche Arbeit – Brauche Zukunft“: Ausstellung des Museums der Arbeit
Auge in Auge mit dem Stempel, so fing die staatlich verwaltete Arbeitslosigkeit einmal an. Unter einem Knäuel eben dieser bürokratischen Schicksalsgeräte finden sich auch die BesucherInnen wieder: „Suche Arbeit - Brauche Zukunft“ heißt die Werkstattausstellung des Museums für Arbeit, die gestern in der ehemaligen DEMAG-Fabrik in Bahrenfeld eröffnet wurde. Mit Töpfen und Kochlöffeln Krach schlagend zogen die Hamburgerinnen nach dem Zweiten Weltkrieg vors Arbeitsamt, um gegen das tägliche Antreten zum Stempeln zu protestieren. „Und sie hatten Erfolg“, berichtet der Ausstellungsleiter Gordon Uhlmann nicht ganz ohne historischen Stolz und zeigt auf die von der Decke baumelnden Küchenutensilien-Exponate.
Gibt es eine Zukunft vor, zwischen, nach und ohne Arbeit? Ist die Erwerbslosigkeit mehr als die Abwesenheit bezahlter Arbeit? Richtig verwegene Antworten auf die drängelnden Fragen der postsozialistischen Arbeiter- und Arbeitslosengesellschaft haben auch die AusstellungsmacherInnen nicht gefunden. Zu sehen gibt es jedoch manches, was historische Herzen und kreative Gemüter beflügeln kann.
Zeitzeugende Bilder des Fotografen Erich Andres – „Ein Tag in Hamburg“ – sind erstmals zu sehen und belegen beispielsweise, daß es auch nach der Machtübernahme der Nazis lange Menschenschlangen vor den Stempelstuben gab. Diese zu veröffentlichen war seinerzeit bei Strafe verboten.
In einer Installation mehrerer Dia-Projektoren – neudeutsch: Multi-Media-Show – werden historische Bilddokumente mit aktuellen Fotos vermischt, sind Existenzängste und Zukunftshoffnungen von damals und heute als historische Kontinuität dargestellt. Ob die historische Schuhcreme-Werbung, die Fußbekleidung wie neu und damit bessere Chancen bei der Jobsuche versprach, bis zu den aktuellen Titelbildern der Medien – sie alle kreisen um das eine Objekt der Begierde: Arbeit.
Hat man sie nicht, schreibt mensch Bewerbungen. Einhundertzwanzig mal hat es der erwerbslose Techniker Tom Steiner versucht und erhielt ebensoviele Absagen. Dargeboten sind die Zeugnisse vergeblicher Arbeitsmüh in einer bemerkenswerten Installation, für die Uwe Nitsche verantwortlich zeichnet. Von einem rasterartigen, an der Decke angebrachten Gitter hängen die Bewerbungen nebst Antworten herab; die BetrachterInnen stapfen durch einen Blätterwald aus Entmutigungen.
„Es gibt Familien, die seit mehreren Generationen von Arbeitslosigkeit betroffen oder immer wieder von ihr bedroht sind“, weiß Ausstellungs-Mitorganisatorin Hannimari Jokinen zu berichten. Dennoch sollte es in dieser Werkstattausstellung auch und gerade um die Zukunft gehen. Und die kommt bastelnd daher. Arbeitsförderungs-Projekte, ÖTV, aber auch einzelne Jugendliche haben ihre „Zukunftskoffer“ mit dem üblichen Gemisch aus mehr Gerechtigkeit, weniger Sorgen und Auto-Haus-Geld-Glück-Träumen gepackt. Die bereits vorhandenen Koffer der „Anpack- und Mitmachausstellung“ warten auf weitere Gepäckstücke. Auch historische Fund-stücke und weltweit vernetzende Zukunftsfaxe sind willkommen. Denn dies soll erst der Auftakt zu einer erweiterten Ausstellung im kommenden Frühjahr sein.
Silke Mertins
Geöffnet: vom 5. September bis 1. Oktober, Gasstraße 16 (S-Bahnhof Bahrenfeld), Mittwoch bis Sonntag 9 bis 18 Uhr, Dienstag 9 bis 21 Uhr, Zukunftsfaxe unter: 040/89060533, zahlreiche Veranstaltungen zum Thema unter Tel.: 040/29842150 zu erfragen
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