„Weiterbildung ist Alltag“

■ Bei STN Atlas Elektronik drückt jeder zweite Mitarbeiter regelmäßig die Schulbank

Die Weiterbildung ist beim Bremer High-Tech- und Rüstungskonzern STN Atlas Elektronik sakrosankt. Aus gutem Grund, schließlich will man auch in Zukunft an der Spitze des technischen Fortschritts marschieren – egal ob es um Operationszentralen in U-Booten, Echolote als „Fischfinder“, die Steuerung von Flugabwehrraketen oder Einsatzzentralen für Feuerwehren geht.

Auch in Zeiten finanzieller Not, wie nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Konzern-Mutter Bremer Vulkan-Verbund, wurde in der Sebaldsbrücker STN-Atlas-Chefetage nicht daran gedacht, kurzfristig Kosten auf Kosten des Lernens der MitarbeiterInnen zu sparen. „Darüber wurde in der Führungsebene nicht gesprochen“, sagt Hans-Werner Busch, in der STN-Atlas-Geschäftsführung für Personalfragen zuständig.

So schickt der Konzern in jedem Jahr fast jeden zweiten von seinen 4.250 MitarbeiterInnen zur internen Weiterbildung. Nur ein kleiner Teil wird dabei den Händen externer Bildungsanbieter anvertraut. Denn das hauseigene Seminarprogramm ist ein dicker Wälzer. STN Atlas leistet sich ein eigenes Bildungszentrum an der Hans-Bredow-Straße.

Dort stehen vor allem Software-Kurse in allen Varianten auf dem Programm, von der Word-Schulung für die Sekretärin bis zur Vertiefung der Programmiersprache C++. Doch hausintern kann man auch Englisch für den Vertrieb, internationales Vertragsrecht, Strategische Unternehmensführung oder Kommunikation und Gesprächsführung lernen.

Auch die Chefs lernen dazu – allerdings heißen solche Veranstaltungen dann nicht Seminar, sondern Colloquien. Gerade letzte Woche war Busch selbst bei einem Colloquium für Vorstände über europäisches Betriebsverfassungsrecht. Mit dem Computer, so bekennt er freimütig, kann der Vorgesetzte von Tausenden Software-Spezialisten nicht umgehen. Busch diktiert, sein Schreiben am PC wäre ja auch ganz schön teuer. Zu Hause hat Familie Busch gerade einen PC angeschafft. „Jetzt lernt meine Frau daran und anschließend trainiert sie mich“.

Was die Weiterbildung angeht, ordnet Busch seine Firma im oberen Drittel der Unternehmen ein. Die ausgeprägte Weiterbildungs-Kultur der ehemaligen Krupp-Tochter Atlas sei erhalten geblieben. Ein bißchen Eigenlob: Busch war vor seinem Wechsel zu Atlas auf einer Stabsstelle beim Vorstand des Essener Krupp-Konzerns für die Weiterbildung in allen Unternehmensteilen verantwortlich.

„Wir beschäftigen zu 85 Prozent Angestellte, davon sind zwei Drittel Akademiker“, beschreibt Busch die Klientel der aus nur sieben Personen bestehenden Weiterbil-dungsabteilung, die nach Bedarf mit externen TrainerInnen verstärkt wird. Die HochschulabsolventInnen kommen zu 90 Prozent aus technischen Fakultäten. Da müssen viele in Betriebswirtschaft und kommunikativem Handeln geschult werden. „Auch ein Techniker muß in den Kunden verliebt sein und nicht in seine Technik“, sagt Busch, selber gelernter Maschienenschlosser und promovierter Soziologe. „Man kann nicht mit der inneren Haltung zum Kunden gehen: Das ist so tolle Technik, warum will der das nicht“.

Ein wesentlicher Teil der Weiterbildung ist laut Busch „training on the job“ in den jeweiligen Projekten, die zur Entwicklung komplexer Systeme wie einer kompletten Schiffselektronik notwendig sind. „Das betreiben wir systematisch“, so der Personalchef, „trial and error bleiben am besten haften“.

In den Projekten wird auch Führungskräftenachwuchs herangezogen. Denn es könne durchaus sein, daß die Projekthierarchie umgekehrt zur Unternehmenshierarchie ist. Dabei wird klar, wer fachlich, organisatorisch und von der Personalführung her zu Höherem in der Lage ist. Wenn es im Projekt hakt, wird das Problem mit den ExpertInnen aus der Personalabteilung definiert. „In einer Woche können wir ein Seminar auf die Beine stellen, um Abhilfe zu schaffen“, sagt Busch. „Länger darf das nicht dauern.

Ob sich diese Investitionen in die MitarbeiterInnen lohnen, ist schwer zu sagen. Über Kosten für die Weiterbildung wird bei STN Atlas nicht gesprochen. Die Zahlen seien ohnehin nicht mit den Daten anderer Unternehmen vergleichbar, erläutert Busch. Manche Firmen rechneten den Arbeitsausfall der Mitarbeiter zu den reinen Kosten für das Training hinzu und könnten so mit hohen Summen in der Öffentlichkeit glänzen.

„Bei STN Atlas gehört Weiterbildung zum normalen Arbeitsalltag.“ Dabei gibt es keinen Zwang, Seminare zu besuchen. Busch: „Wenn aber ein Software-Entwickler sagt, nein, ich habe keine Lust, diese oder jene Programmiersprache zu lernen, dann muß er sich irgendwann einen neuen Job suchen.

Joachim Fahrun