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DebatteReform – bisher nur auf dem Papier

■ Wo steht die Verwaltungsreform? Ein Resümee des Mitarbeiterkongresses

Die Fahrt ins Grüne – zum ehemaligen Pionierpalast in der Wuhlheide – war der angenehmste Teil des Mitarbeiterkongresses zur Verwaltungsreform. Über eintausend Beschäftigte nahmen daran teil, doch der Informationsgewinn beschränkte sich auf die Theorie der Reform. Für die Weiterentwicklung dieser Reform war das aber zu wenig. Eine Bilanz fehlte und von den Problemen durch die Sparmaßnahmen und unsinnigen Bezirksamtszuschnitten war nur vereinzelt die Rede.

Es konnte kaum anders sein, denn die Reform findet vor allem auf dem Papier statt. Erfolgsmeldungen wie: „Die Bezirke Köpenick und Schöneberg haben ihre Behördenstruktur bereits komplett auf LuVs [Leistungs- und Verantwortungszentren] umgestellt“, entpuppten sich als Wunschdenken. In Schöneberg arbeiten tatsächlich nur zwei LuVs, alles andere steht auf dem Papier. In ganz Berlin arbeiten keine zehn LuVs. Das ist dürftig nach zwei Jahren Reform und mehr als 20 Millionen Mark Beratungshonoraren.

Das vorgestellte LuV auf Senatsebene ist nichts anderes als die ehemalige Abteilung IX des Schulsenats, die Abteilungsleiterin ist als Lebenszeit-Beamtin selbstverständlich LuV-Leiterin. Von Managementpositionen und -risiken keine Spur. In den Tagungsunterlagen wird aus Kreuzberg die abgeschlossene Zielvereinbarung mit der Bibliothek aufgeführt. Es fehlt, daß sie nie in Kraft getreten ist, weil durch den Nachtragshaushalt der vereinbarte Anschaffungsetat nicht mehr gewährleistet war, sondern halbiert werden mußte.

Einer der Hauptreferenten, Dr. Alfons Schrijvers, Mit-Autor des Tilburger Modells, faßte das Dilemma der Verwaltungsreform optimistisch in dem Satz zusammen: „Die Reform ist auf einem guten Weg, er muß nur Realität werden.“ Daran hapert es. An Praxisberichten mangelte es, die aufgestellten Schautafeln waren entsprechend dürftig und wenig motivierend. Es gab kein neues Projekt, keine tatsächliche Erfolgsmeldung.

Wie die jahrelangen theoretischen Vorarbeiten zu bewerten sind, drückte ein Zitat aus, das die Controllerin Frau Schnödt aus Wilmersdorf in ihrem Referat wiedergab: „Es mangelt nicht an Erkenntnissen für Effizienzsteigerungen und Bürokratieabbau, es mangelt an dem Interesse, diese Erkenntnisse umzusetzen.“

Dieses Interesse gilt es bei denen freizusetzen, die das größte Interesse haben, die oberen Etagen zu rationalisieren: Abbau von Doppelzuständigkeiten, von Hierarchiestufen, Mitzeichnungsrechten und den ermüdenden fachaufsichtlichen Eingriffen aus den Senatsstellen.

In einer öffentlichen Reformkampagne müßten die Beschäftigten in den bezirklichen Einrichtungen, die am stärksten unter dem Spardruck stehen, mit den BürgerInnen gemeinsam so viel Druck machen, daß einzelne Ämter in den Bezirken das Recht erhalten, überflüssige Arbeiten in übergeordneten Stellen zeitweise auszusetzen. Die von der Großen Koalition vereinbarte Abschaffung aller Rechtsvorschriften bietet die dafür erforderliche Grundlage. Den Rationalisierungseffekt könnten unabhängige Controller messen.

Das gleiche muß im Verhältnis zwischen Bezirken und Hauptverwaltung gelten. Hier muß dem Rat der Bürgermeister zugestanden werden, daß er für eine Probezeit Doppelarbeit in den Senatsdienststellen aussetzen kann. Ohne einige „revolutionäre“ Reformschritte, die die trägen Verhältnisse in den Hauptverwaltungen zum Tanzen bringen, wird es keine erfolgreiche Reform geben. Dirk Jordan

Der Autor ist ehemaliger Volksbildungsstadtrat in Kreuzberg für das Bündnis 90/Die Grünen

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