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Netanjahu droht kritischen Ministern

■ Nach dem Treffen mit Arafat muß sich Israels Ministerpräsident rechtfertigen

Tel Aviv (taz) – Am Tag nach seinem ersten Händedruck mit PLO-Chef Jassir Arafat am Checkpoint Erez hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu vor dem Zentralkomitee seiner Partei, des Likud- Blocks, Rechenschaft über die ersten 80 Tage im Amt abgelegt. In dem großen, zirkusähnlichen Cinerama-Saal in Tel Aviv mußte er auch die wütende Kritik linientreuer Ideologen und frustrierter Funktionäre aus dem eigenen Lager zurückzuweisen.

Netanjahu versprach, keinen palästinensischen Staat zwischen dem Mittelmeer und dem Jordanfluß – also auf dem Westufer – zuzulassen und den Palästinensern keinen Teil Jerusalems abzutreten. Jüdische Siedlungen am Westufer und im Gaza-Streifen sollen bestehen bleiben und vergrößert werden; jede weitere Entwicklung im Friedensprozeß mit den Palästinensern soll langsam und vorsichtig erfolgen, um Israels Sicherheit zu garantieren. Netanjahu warnte seine Kritiker in der Regierung, daß Minister, die seine Politik ablehnen, mit ihrer Entlassung zu rechnen haben. Er erhielt Unterstützung von Außenminister David Levy, der im israelischen Rundfunk erklärte: „Minister, die das Treffen für ein Desaster halten, müssen die Konsequenzen ziehen und die Regierung verlassen.“

Diese Warnung war vor allem gegen Benjamin Zeev Begin, Minister für wissenschaftliche Forschung und Sohn des verstorbenen Likud-Führers und ersten Ministerpräsidenten, Menahem Begin, gerichtet, der sich angesichts des Treffens Netanjahu–Arafat über die pragmatisch und opportunistisch erscheinende Haltung Netanjahus beschwerte und von einem „Desaster“ sprach. Zu den Kritikern unter den führenden Likud-Mitgliedern gehören auch der Vorsitzende des Knesset-Ausschußes für Außen- und Sicherheitspolitik, Uzi Landau, und, wenn auch mit vorsichtigeren Formulierungen, der Minister für Infrastruktur, Ariel Scharon.

Uzi Landau, der von den rund 2.000 Likud-Delegierten mit stürmischen Ovationen empfangen wurde, behauptete in seiner Rede, daß die Bedingungen des Likud für einer Zusammenkunft Netanjahus mit Arafat nicht erfüllt waren, und daß der Händedruck deshalb im Widerspruch zum Regierungsprogramm stand. „Netanjahu als Führer des Likud hat zwar die letzten Wahlen gewonnen, aber der Likud als politische Bewegung wurde geschlagen“, behauptete Landau.

Netanjahu rechtferigte sein Treffen mit Arafat damit, daß die palästinensische Seite gezwungen war, seine eindeutige Erklärung hinzunehmen: daß die israelische Siedlungspolitik forgesetzt wird, daß es nie zu einem palästinensischen Staat kommen darf und alle Abkommen über zukünftige Schritte nur auf Grundlage von Gegenseitigkeit und mit (palästinensischen) Garantien gegen Terrorismus und für die Sicherheit Israels möglich sein werden.

Die Delegierten spendeten den Kritikern des Regierungschefs brausenden Beifall. Die Stimmung war teilweise gereizt und militant. Als sich der bekannte israelische Schriftsteller und Friedensaktivist Uri Avneri auf dem Kongreß zeigte, wurde er gewaltsam des Saales verwiesen.

Der Rat der israelischen Siedler am Westufer und im Gaza-Streifen hat als Reaktion auf die Begegnung zwischen Netanjahu und Arafat beschlossen, keine weiteren Bewilligungen für den Bau von Häusern zur Erweiterung bestehender Siedlungen einzuholen. Statt dessen soll sofort mit dem Ausbau begonnen werden. In Hebron kamen die Führer der Siedler zusammen, um eine Kampagne gegen geplante israelische Truppenverschiebungen in der Stadt zu organisieren. Amos WollinKommentar Seite 12

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