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Die vielen Leben der PA58

Bauarbeiten abgeschlossen: Vor 15 Jahren besetzt, hat sich die ehemalige Hutfabrik in der Pankstraße in Wedding durch den langen Atem der Besetzer zum vorbildlichen „Wohnprojekt“ entwickelt  ■ Von Gereon Asmuth

„Den Anweisungen der Polizei ist Folge zu leisten.“ Der Schriftzug aus den dreißiger Jahren in der Gasschleuse zum ehemaligen Luftschutzkeller in der Prinzenallee 58 bringt die Bewohner immer noch zum Lächeln. Unter den bombenresistenten Mauern krachen heute die Gitarren verschiedener Bands. Ein paar Meter weiter zeugt der Fahrradkeller mit 104 Stellplätzen vom Charakter des nicht ganz üblichen Mietshauses in Wedding.

Bewohner und Freunde der „PA58“ feierten am Wochenende ihr 15jähriges Jubiläum mit einem ausgelassenen Hoffest. Mit Hilfe einiger Mieter waren 1981 etwa zwanzig Personen in das zu 70 Prozent leerstehende Haus eingedrungen. Die Prinzenallee war das hundertste besetzte Haus. Durch Leerstand und unterlassene Reparaturen hatte die Hauseigentümerin, die Panke-Park-Wohnungsbaugesellschaft, die 1890 als Hutfabrik errichteten Gebäude vier Jahre lang verkommen lassen. Der angeblich unvermeidliche Abriß sollte Platz für lukrative Neubauten schaffen.

Der Abriß war aber noch lange nicht vom Tisch. 1983 wollte das Bezirksamt Wedding Neubauten für Wohnungen und eine Sporthalle im Bebauungsplan festschreiben, was erst durch den Einspruch von 1.000 Bürgern verhindert wurde. Die Zukunft der Gebäude war wieder offen, und die Panke- Park GmbH ließ sich auf einen fünfjährigen Nutzungsvertrag mit den inzwischen im „Verein zum Schutz billigen Wohnraums“ organisierten Bewohnern ein.

„Dann begann die zweite Phase der Arbeit“, erinnert sich Martin Feldner, noch heute Bewohner der PA58. Mit Gebrauchtmaterialien und in Eigenleistung wurden die Wohnungen halbwegs saniert. Im Erdgeschoß etablierte sich das Nachbarschaftshaus Prinzenallee. Ein Café, die Jugendgästestätte, ein Schülerladen und mehrere Werkstätten wurden eingerichtet.

Doch 1988 drohte erneut das Aus. Nach Ablauf des Vertrags verlangte die Panke-Park eine saftige Mieterhöhung. Ersatzweise sollte der Verein das Gebäude kaufen, für annähernd 3,5 Millionen Mark. Zehn Jahre zuvor hatte die Panke-Park nur 1,4 Millionen bezahlt. Noch vor Ablauf der Verhandlungsfrist reichte die Eigentümerin Räumungsklage ein. Zwar hatte sich der Bezirk inzwischen für den Erhalt des Hauses ausgesprochen, doch die Wohnungsbaugesellschaft hoffte mit einem Wohnheim für Aussiedler mehr Geld zu verdienen. Wieder mobilisiserten die Wohnraumschützer zu Demonstrationen, Runden Tischen und Go-ins bei den Behörden. Nach einem anderthalbjährigen Verhandlungsmarathon konnte schließlich das Land zum Kauf des Gebäudes bewegt werden. 1992 gründeten die Bewohner ihre eigene Genossenschaft und übernahmen mit einem 75jährigen Erbpachtvertrag ihr Haus.

„Aber Besetzer kriegen einfach nicht die Mittel, die notwendig sind“, ärgert sich Feldner. So stellte der Senat statt der erforderlichen 6 Millionen Mark für die Totalsanierung nur 2,8 Millionen zur Verfügung. Obwohl weitere Fördertöpfe angezapft werden konnten, mußten die Genossen über eine Millionen Mark an unentgeltlichen Eigenleistungen erbringen. Über drei Jahre lebten die Exbesetzer auf der Baustelle. Nun wird Regenwasser für die Toilettenspülung gesammelt, Sonnenkollektoren sorgen für warmes Wasser, und die öffentlichen Bereiche sind behindertengerecht ausgebaut.

„Erst wollte man uns verhindern, dann aushungern. Erst zum Schluß wurden wir unterstützt“, freut sich Feldner über die mittlerweile „partnerschaftliche Zusammenarbeit“ mit dem Bezirk.

Von den ursprünglichen Besetzern leben heute nur noch drei im Haus. „Aber 40 Prozent der 70 Erwachsenen und 20 Kinder, die hier wohnen, sind schon in den ersten Jahren dazugekommen“, schätzt Feldner. Jetzt, wo die Sanierung nahezu abgeschlossen ist, fragt sich der Exbesetzer manchmal, wodurch sich die mit langem Atem und viel Arbeit erhaltene Prinzenallee noch von einem normalen Mietshaus unterscheidet. „Es gibt hier eine schleichende Verbürgerlichung, viele haben Familien gegründet und sich aus den WGs ausgeklinkt“, meint Feldner. So wurden die ursprünglich offenen Durchgangstüren zwischen den Wohnungen nach und nach geschlossen.

Geblieben sind die basisdemokratische Selbstverwaltung und die monatliche Hausversammlung. Alle Aufgaben werden in ehrenamtlicher Arbeit erledigt. Nur für die Zeit der Sanierung hatten die Genossen einen hauptamtlichen Geschäftsführer engagiert. Und dann gibt es da noch die Alarmfanfare in jeder Wohnung, mit der bei einer drohenden Räumung die Bewohner zusammengerufen werden sollten. „Vor zwei Jahren wurde zuletzt getrötet“, erzählt Feldner. Damals prügelten sich Jugendliche auf dem Parkplatz hinter dem Haus. „Wir haben mit zwanzig Leuten eingegriffen. Da hat sich gezeigt, daß unser Zusammenhalt noch funktioniert.“

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