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Ohne Bundeshilfen keine Haushaltssanierung

■ DIW-Wirtschaftsforscher: Berlin ist finanziell gelähmt

Das Milliardendefizit im Haushalt wird die Hauptstadt nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bis 1999 finanziell lähmen. Nach Ansicht von DIW-Forscher Dieter Vesper muß Berlin deshalb Bundeshilfen beanspruchen. An der Haushaltsnotlage werde auch der Sparkurs von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) nichts ändern. Die Senatorin will 34,1 Milliarden Mark bis 1999 einsparen und die Nettoneuverschuldung um jährlich 650 Millionen auf 4,15 Milliarden Mark zurückfahren.

„Selbst wenn es gutgeht, die Sparmaßnahmen umgesetzt werden und ab 1997 ein Konjunkturaufschwung mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent einsetzt, steigt die Pro-Kopf-Verschuldung in Berlin bis Ende 1999 auf 23.000 Mark an“, sagte Vesper der Welt. Der Anteil der Steuereinnahmen, der allein zur Zahlung von Zinsen verwendet werden müsse, steige bis 1999 auf 42 Prozent. Diese extreme Notlage mache Bundeshilfen notwendig, wie sie das Saarland und Bremen vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hätten.

Dem widersprachen der Regierende Bürgermeister Diepgen und der Bundestagsabgeordnete Scholz (beide CDU). Nach Meinung Diepgens kann die Stadt die Probleme aus eigener Kraft lösen. „Die Stadt ist nicht pleite, sie kann ihr beträchtliches Vermögen nur nicht unmittelbar und kurzfristig aktivieren“, sagte Diepgen. Mitte September will der Senat „Leitlinien“ für die Beratungen zum Haushalt für das Jahr 1997 festlegen, in dem 10,4 Milliarden Mark eingespart werden sollen. Auch Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) nannte eine mögliche Klage „absoluten Quatsch“.

In der SPD-Fraktion gibt es nach Angaben von Fraktionschef Klaus Böger Überlegungen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, weil Berlin wegen der Auswirkungen der Bonner Sparpolitik seine Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könne. Es gehe nicht an, daß der Bundestag bestimmte Steuern wie die Vermögenssteuern ohne Ausgleich abschaffen wolle und damit Ländern und Gemeinden Millionenbeträge fehlten. An dem Kurs zur Sanierung will die SPD-Fraktion strikt festhalten. Nach einer Klausurtagung forderte Böger am Freitag abend alle Senatoren auf, ihren Sparbeitrag zu leisten. Ein Schwerpunkt sei die Baupolitik. Alte Planungen könnten korrigiert werden, weil man 1992 von einem größeren Bevölkerungszuwachs ausgegangen sei. dpa

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