■ Standbild: Ernste Sache
„Scheibenwischer“, Samstag, 22.35 Uhr, ARD
Am Samstagabend wird jetzt gern etwas Heiteres geboten. Lustiger Verbraucherschutz mit der RTL-Ulknudel Geert Müller-Gerbes zum Beispiel. Schon sein Name macht lachen und ist ein echter Brüller. Hernach fröhliches Pointenraten mit den Witzfiguren von RTLs „Samstag Nacht“, und Sat.1 fährt Superlativen auf: die „witzigsten Nachrichten der Welt“.
Fast möchte man dankbar sein für einen kleinen Brocken herkömmlichen Kabaretts. Eine wirklich steinalte Spielart, aber im Mikrokosmos namens ARD wohl noch immer etwas ganz Besonderes weil Beleg für die eigene Traute. Anders läßt sich die treuherzige Beharrlichkeit kaum erklären, mit der man den Schinken alle Jahre wieder für einen Grimme-Preis vorschlägt. Nur taugt es nicht mehr als Beleg für Chuzpe, sondern bestenfalls noch als unterhaltsame Geschichtslektion, wenn Kabarettisten darauf hinweisen, daß Krieg nicht schön ist und alte Nazis, trotz zäh klebendem Drecks am Stecken, unter Adenauer ein ungebührlich angenehmes Dasein gefristet haben.
Die ganze Rückständigkeit des Programms offenbart sich, wenn jemand eine Nummer eröffnet mit der Bemerkung, seit 1945 wolle niemand mehr Volkslieder hören, während doch just im ZDF mit Schmiß und Krakeel der keineswegs unikale „Grand Prix der Volksmusik“ zu Ende ging. Und was wollen uns Sätze sagen wie „Ein Sommer in Deutschland ist wie ein Höhepunkt in der Politik dieser Regierung“? Was mag es bedeuten, wenn „der große Roßtäuscher vom Wolfgangsee“ sich auf das Riesenloch vom Waigel setzt, „so wie die Norne des Orakels von Delphi über der Spalte, wo dann der giftgelbe Nebel aufsteigt ...“? Wo steckt der Sinn, und, schwerwiegender noch, wo lauert denn eigentlich der Witz? Eine über die einzelne Sendung hinausweisende Frage, denn immer häufiger muß der Verbraucher Beschwerde führen über den mißlichen Umstand, daß allenthalben die Waren Satire, Glosse, Nonsens feilgeboten werden, die Mehrzahl der fraglichen Produkte jedoch nicht den mindesten Lachreiz entfalten. Harald Keller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen