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Die Zeit der ewigen Allianzen ist vorbei

Der UN-Sicherheitsrat mag Bill Clintons Irak-Feldzug nicht absegnen. Den ficht das nicht an  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Am Ende kam nicht einmal die obligatorische UN-Resolution zur Billigung der US-amerikanischen Irak-Politik zustande. Angesichts der Vetodrohung Rußlands ließ der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Freitag einen Resolutionsentwurf in der Schublade verschwinden, in dem Saddam Hussein für die Entsendung seiner Truppen in das von Kurden kontrollierte Gebiet im Nordirak explizit verurteilt worden und der folgende Raketenangriff der USA auf Ziele im Südirak implizit gebilligt worden wäre. Doch der russische UN-Botschafter Sergei Lavrov drohte auch nach vier Tagen zäher Verhandlungen hinter den Kulissen ein Veto an, falls in der Resolution nicht die militärischen Aktionen aller Beteiligten gerügt würden – also auch die der USA.

Damit ist nun auch der letzte Anschein jener Allianz beseitigt, die von der Bush-Administration nach dem Einmarsch Iraks in Kuwait 1990 gezimmert worden war. Noch bevor die Debatte im Sicherheitsrat begonnen hatte, sahen sich die USA bereits mit einer für Washington höchst ungewohnten Mischung aus scharfer Kritik und lauwarmer Unterstützung von seiten ihrer Verbündeten konfrontiert. Arabische Staaten wie Ägypten und Saudi-Arabien, die im Golfkrieg noch auf seiten der USA standen, hatten den jüngsten Einsatz von Cruise Missiles gegen den Irak letzte Woche ebenso verurteilt wie Rußland, das sich 1991 ebenfalls in die Anti-Irak-Koalition eingereiht hatte. Spanien und Italien verweigerten das obligatorische Kopfnicken, Frankreich düpierte die USA, indem Präsident Jacques Chirac nach einem Treffen mit US-Außenminister Warren Christopher erklären ließ, französische Militärflugzeuge würden die Flugverbotszone im Süden des Iraks nur in ihren alten Grenzen – also von der kuwaitisch-irakischen Grenze bis zum 32. Breitengrad – überwachen. Die USA hatten die Zone im Rahmen ihrer „Bestrafung“ für den irakischen Vormarsch gegen Kurden auf den 33. Breitengrad ausgedehnt. Lediglich Kanada, Japan, Deutschland und Großbritannien unterstützten den US-Militärschlag – die drei erstgenannten allerdings ohne größeren Enthusiasmus.

Doch im Weißen Haus macht man sich derzeit nicht allzu viele Sorgen um den Unmut der Alliierten oder die fehlende Unterstützung in der UNO. Der jüngste Vorstoß Saddam Husseins im Nordirak wurde in Washington nicht als internationales Problem verstanden, das es mit einem multilateralen Ansatz zu lösen galt, sondern als direkte Herausforderung des irakischen Diktators an einen Präsidenten, der sich im Wahlkampf befindet. Madeleine Albright, US- Botschafterin bei der UNO, zeigte sich über das Scheitern der Resolution „enttäuscht“, erklärte aber im gleichen Atemzug, daß „der Sicherheitsrat eben nicht immer der beste Weg ist, um solche Probleme zu lösen ...“

Noch vor drei Jahren hatte Albright im Namen ihres Präsidenten ganz andere Töne angeschlagen und eine Ära des „assertive multilateralism“ verkündet, in dem die Funktionen und Kompetenzen der UNO unter Führung der USA immer weiter ausgebaut werden sollten. Doch im Wahljahr 1996 ist die UNO in der US-Öffentlichkeit zu einer quasi feindlichen Institution, ihr Generalsekretär zu einer Spottfigur geworden – und die Schulden der USA in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar sind immer noch nicht bezahlt.

Doch den Vorwurf des Unilateralismus müssen sich die USA nicht nur bei der UNO anhören. Die jüngst verabschiedeten Sanktionsgesetze der USA, die ausländische Unternehmen für Handel mit den „Paria-Staaten“ Kuba, Libyen und Iran bestrafen, haben zu einem verbitterten Streit mit Handelspartnern der EU und Nafta geführt. Mehr als einmal wurde mit „Vergeltungsmaßnahmen“ und „Handelskrieg“ gedroht. Auch dem Streit um den Irak liegen Handels- und Wirtschaftsinteressen zugrunde. Es geht um Öl und um die Frage, wer nach dem Ende des Embargos beim Wiederaufbau des Landes die Nase vorn hat.

Vor diesem Hintergrund scheint sich die Prognose des Außenpolitikexperten Ronald Steel zu bewahrheiten, wonach nicht nur „die Tage des Nachgebens der Allierten angesichts der militärischen Macht der USA vorbei sind, sondern die Ära der Allianzen überhaupt. Solche Bündnisse machen ohne den großen gemeinsamen Feind keinen Sinn mehr. Und in Handelskriegen gibt es keine Verbündeten. Nur Rivalen.“

Solche Szenarien weisen Bill Clintons außenpolitische Berater weit von sich. Europäische Kritik am vermeintlichen amerikanischen Unilateralismus wird im Weißen Haus als „Gejammer“ abgetan. Solche Klagen seien „schlicht unfair“, erklärte unlängst Samuel Berger, Sicherheitsberater des US- Präsidenten. „Diese Regierung geht bei der Lösung von Problemen instinktiv den kollegialen Weg – egal ob es um Bosnien, Gatt, Nato oder die Beziehungen zur ehemaligen Sowjetunion geht. Aus ein paar Einzelfällen zu schließen, daß die USA plötzlich den Unilateralismus hochhalten, ist einfach lächerlich.“ Das Problem ist offensichtlich eines der gegenseitigen Wahrnehmung. Was sich für die übriggebliebene Supermacht als „Einzelfall“ darstellt, repräsentiert für die zunehmend unwilligen Verbündeten eine Weichenstellung im Wettlauf um neue Märkte. Für Konfliktstoff auf dem Weg in die Ära ohne Allianzen ist damit gesorgt.

Unterdessen berichten US-Medien, der irakische Angriff auf von Kurden kontrolliertes Gebiet habe einen vom US-Geheimdienst CIA vorbereiteten Putschversuch gegen Saddam Hussein vereitelt. Die New York Times berichtet unter Berufung auf einen anonymen CIA-Mitarbeiter, mehrere CIA- Offiziere hätten den Nordirak fluchtartig verlassen. Mitglieder des Oppositionsbündnisses Irakischer Nationalkongreß (INC) beklagten, die CIAler hätten sie im Stich gelassen. Irakische Soldaten suchten in Arbil nach INClern.

Siehe auch Seite 12

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