: DGB: Heißer Herbst für Kohl
■ Fast 250.000 Menschen protestierten gegen das Bonner Sparpaket. Gewerkschafter kritisieren DGB
Berlin (taz/dpa/ap) – Fast eine Viertelmillion Menschen haben am Wochenende dem sogenannten Sparpaket der Bundesregierung die rote Karte gezeigt. Eine Woche bevor das Sparpaket verabschiedet werden soll, gingen am Samstag in sechs Städten 250.000 Menschen auf die Straße. Vor dem Brandenburger Tor in Berlin forderte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer vor 60.000 DemonstrantInnen „mehr Druck von unten.“ Es sei „Hohn“, wenn die „Koalition aus Kapital und Kabinett“ bei Arbeitslosen und Kranken kürze und gleichzeitig die Vermögenssteuer abschaffe. Kritik gab es in Berlin aber auch am DGB. Auf einem unabhängigen Demonstrationszug der Gewerkschaft HBV forderten TeilnehmerInnen eine härtere Gangart gegenüber Bonn. In Leipzig drohte Herbert Mai, Vorsitzender der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), mit einem „heißen Herbst“. Eine Kürzung der Lohnfortzahlungen werde es mit der ÖTV nicht geben. In Anlehnung an die Montagsdemonstrationen riefen viele Leipziger DemonstrantInnen: „Wir sind das Volk.“ Ruhiger ging es in Stuttgart zu. Dort forderte der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel die Vertreter des Arbeitnehmerflügels der CDU auf, im Bundestag gegen die Sparbeschlüsse zu stimmen.
Die Bundesregierung zeigte sich unbeeindruckt. So erklärte der Chef des Bundeskanzleramts, Friedrich Bohl (CDU), gestern: „Mit Demonstrationen schafft man keine Arbeitsplätze.“ Auch Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) verteidigte das Sparpaket: „Wer nur am Sozialstaat festhält, der wird ihn nicht überlebensfähig machen.“ Auf Distanz ging hingegen Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU). Sie sprach sich gegen das Vorhaben von Bundeskanzler Kohl aus, die Mittel für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Ostdeutschland pauschal zu kürzen. Erwartungsgemäß sicherte die SPD den DemonstrantInnen ihre „volle Unterstützung“ zu. Der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine erklärte, die Partei setze sich mit den Gewerkschaften für die Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft ein. clh Reportage Seite 4
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