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■ Zu den Vorschlägen der AG Alternative WirtschaftspolitikUnausgegorene Gegenentwürfe

Gerhard Schröder hatte ein kurzes Gedächtnis, als er sich vor genau einem Jahr eine moderne Wirtschaftspolitik auf die Fahne schrieb und damit die Existenz einer sozialdemokratischen in Abrede stellte. Doch es gab sie, die sozialdemokratische Art des Wirtschaftens, Karl Schiller hat es erfolgreich in den sechziger Jahren vorgeführt. Nun soll sie nach dem Willen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik erneut zur Anwendung kommen. 150 Milliarden Mark jährlich müßten ausgegeben werden, und in zehn Jahren gibt es wieder Vollbeschäftigung.

Wer dieses Wort in diesen Zeiten in den Mund nimmt, muß sich Fragen gefallen lassen. Solche nach der Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse, die durch das deficit-spending geschaffen werden sollen. Eine Million Arbeitsplätze soll der ökologische Umbau erbringen: Aber sogar die Grünen gehen schon wieder auf Distanz zum phasenweise intonierten Gleichklang zwischen Ökonomie und Ökologie.

Den möglicherweise nur vorübergehenden Charakter der 500.000 Arbeitsplätze, die durch eine intensivere Arbeitsmarktpolitik geschaffen werden können, haben die Alternativökonomen selbst betont. Jedoch haben sie die Frage nach den langfristig expandierenden Beschäftigungssektoren, die eine Dauerhaftigkeit gewährleisten könnten, offen gelassen.

Man muß kein Anhänger reiner Austeritätspolitik sein, um bei einem zusätzlichen Defizit von 150 Milliarden Mark zu Vorsicht zu mahnen. Nicht nur, daß die geplante Finanzierung über eine Erhöhung der Einkommens- und der Vermögensbesteuerung Bedenken der Verfassungsrichter hervorrufen wird. Zudem werden die Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages beiseite gewischt. Man kann über deren Sinn viel sagen, doch sollte man zugleich erläutern, wie man sie ändert, ohne den europäischen Integrationsprozeß zu verzögern. Zumal wenn mit diesem ein Ordnungsrahmen definiert ist, mit dem der auch von Rudolf Hickel beklagten Negativwirkungen des nationalstaatlichen Standortwettbewerbs begegnet werden kann. Nicht im Modell, aber in der Realität gilt: Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Auch hier stößt die einst gefeierte sozialdemokratische Idee einer nationalstaatlich orientierten Konjunkturpolitik an Grenzen. Für ihre Weiterentwicklung fehlen noch viele Ingredienzen. Dieter Rulff

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