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Serbische Präsidentin blitzt ab

Karadžić-Nachfolgerin Plavšić trifft bei den Wählern auf überraschende Ablehnung. Im Kampf um Stimmen wird die glorreiche Geschichte Serbiens bemüht. Alltagssorgen sind kein Thema  ■ Aus Mrkonjićgrad Erich Rathfelder

Das Denkmal ist noch von Stoff umgeben. Bald wird die Hülle fallen und den Blick freigeben auf den Kopf einer großen Gestalt der serbischen Geschichte, König Petar I. Karadjordjević, 1844-1921. Auf dem Hauptplatz von Mrkonjićgrad, einem Städtchen in den serbisch kontrollierten Gebieten Westbosniens, 40 km von Banja Luka entfernt, haben sich um die 1.000 Menschen eingefunden, um dem Akt beizuwohnen.

Doch bevor es soweit ist, müssen die Autoritäten der regierenden Serbischen Demokratischen Partei (SDS) ihre Reden halten, darunter auch Biljana Plavšić, die Vertreterin ihres Parteifreundes Radovan Karadžić auf dem Präsidentensessel der Serbischen Republik in Bosnien. Sie soll das Denkmal einweihen.

Besser gesagt sollte. „Nicht mit mir“, hatte nämlich schon am Sonntag der Bürgermeister ausgerufen. Noch am Montag morgen drohte er, Minen auf dem Platz auszulegen, wenn er nicht selbst das Haupt des Königs enthüllen dürfe. Die Präsidentin hört seitdem düpiert und verärgert den Reden ihrer Parteifreunde zu. Denn der Kompromiß, der kurz vor der Veranstaltung geschlossen wurde, bestimmte den Parteichef des Ortes für den Akt. Und bescherte der ehemaligen Professorin für Biologie die Erkenntnis, daß die Schuhe eines Radovan Karadžić ihr doch ein wenig groß geraten sind.

Daß die Basis für die SDS abbröckelt, ist nicht nur aus dem Widerspruch des Bürgermeisters gegenüber seiner Präsidentin abzulesen. Schon auf dem Weg nach Mrkonjićgrad hatten viele Leute erkennen lassen, sie würden eher dem Oppositionsbündnis „Union für den Frieden und den Fortschritt“ den Vorzug geben, lieber für den Zusammenschluß der Anhänger des serbischen Präsidenten Milosević mit den Sozialliberalen und drei kleineren Parteien stimmen als für die Karadžić-Partei. Die Union für den Frieden sei wirklich für den Frieden, hatte ein ehemaliger Soldat betont. Und in der Großstadt Banja Luka war der „Demokratische Patriotische Block“ des heute als gemäßigt geltenden Bürgermeisters Predrag Radić angesichts der Vielzahl von Plakaten zumindest optisch den anderen Parteien gleichgestellt.

Die Stimmung auf dem Platz in Mrkonjićgrad ist keineswegs euphorisch. Vor allem die eher Armen sind hier versammelt, die Entwurzelten, die Flüchtlinge und Vertriebenen. Und anstatt etwas über die Lösung ihrer sozialen Probleme, über den Mangel an Arbeit und Geld zu hören, werden sie mit wohlgedrechselten Reden über die Geschichte, über das Leiden und die Größe Serbiens traktiert. Geklatscht wird nur auf dem Podium. Als die Popen mit ihren Gesängen beginnen, um den feierlichen Rahmen für die Enthüllung zu bieten, gehen viele weg, hin zu den umliegenden Kneipen, um dem wohlschmeckenden Slibowitz zuzusprechen.

Auch Zeljko sitzt dort. Seine Hände weisen ihn als Arbeiter aus, seine Argumente als einen ehemaligen Gewerkschafter. Die regierende SDS-Partei sei die Partei der Nationalisten, die den Krieg begonnen hat, sagt er. Die Leute wollten jetzt aber endlich Frieden. Langsam, so stimmen seine beiden Freunde zu, würde Bosnien wieder zusammenwachsen. „Das braucht Zeit. Es gibt zu viele Wunden.“ Und sie erinnern an den Krieg hier im Ort, als vor fast genau einem Jahr die kroatischen Truppen der HVO anrückten und die serbische Bevölkerung fliehen mußte. Die Kroaten setzten viele Häuser in Brand, ein im Frühjahr freigelegtes Massengrab mit 182 Leichen zeugt zudem vom Terror, der damals geherrscht haben muß. Mit dem Abkommen von Dayton wurde die Stadt wieder den Serben zugeschlagen. 14.000 bis 17.000 der ehemals 25.000 Einwohner sind seit März 1996 wieder zurückgekehrt.

Auf der Straße sehen sich Polizisten der internationalen Polizeitruppe um. Mira dient ihnen als Übersetzerin. Die Studentin aus Belgrad ist deshalb in Bosnien viel herumgekommen. Die Nationalisten seien in jenen Regionen besonders stark, wo der Krieg besonders wütete, ist eine ihrer Erkenntnisse. Die Karadžić-Partei habe in Ostbosnien noch immer die Mehrheit. Um so mehr wundert sich die Oppositionelle, wie sie sich selber nennt, über die Atmosphäre in Mrkonjićgrad***. Die sei nämlich relativ offen. Und sie erklärt sich das so: „Hier gibt es kein Fernsehen aus Pale mehr, weil der Transmitter noch nicht repariert ist. Deshalb bekommen die Leute auch weniger Propaganda mit.“

Inzwischen ist das Denkmal enthüllt. Die Menge hat sich zerstreut. Nur einige Diskussionsgruppen sind zurückgeblieben. Niemand jubelt oder klatscht, als Biljana Plavšić aus dem Rathaus tritt. Das Volk, so sagt sie trotzig gegenüber der taz, sei so einig wie nie zuvor. Niemand könne diese Einheit spalten, auch nicht der serbische Präsident Milosević. Die Republika Srpska würde nach den Wahlen unter der Führung ihrer Partei noch gefestigter dastehen, als sie es jetzt schon sei.

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