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Theo Waigel rechnet sich reicher

■ In der Haushaltsdebatte des Bundestages wirft die SPD dem Finanzminister unseriöse Zahlen vor

Bonn (taz/rtr/AFP/AP) – Finanzminister Theo Waigel stand gestern während der Haushaltsdebatte erwartungsgemäß im Kreuzfeuer der Opposition. Zu Beginn des viertägigen Redemarathons warf die SPD dem CSU-Politiker vor, für 1997 einen unseriösen Haushalt vorgelegt zu haben. Die sozialdemokratische Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier sagte, Waigel arbeite mit geschönten Wirtschaftsdaten und Luftbuchungen und rechne „sich reich“. Waigel warf der SPD dagegen bei der Einbringung des Etatplans erneut eine „Blockadepolitik“ bei notwendigen Sparmaßnahmen vor.

Der Entwurf sieht Ausgaben von 440 Milliarden Mark vor, 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr, sowie eine Neuverschuldung von 56,5 Milliarden Mark. Die SPD hat für den Haushaltsplan eine Deckungslücke von 18 Milliarden Mark errechnet. Waigel wies jedoch deren Forderung nach einem Ergänzungshaushalt als „durchsichtiges und unnötiges Manöver“ zurück und bekräftigte seinen strikten Sparkurs. Matthäus-Maier betonte, Waigel könne im laufenden Haushaltsjahr seine vorab gegebenen Zusagen nicht einhalten. Dies gelte sowohl für die Neuverschuldung als auch für die Einhaltung der Maastrichter Kriterien für die europäische Währungsunion. Mit Blick auf den Etatplan 1997 kritisierte Matthäus-Maier besondere Belastungen für Familien, Frauen sowie generell die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen.

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bleibe dagegen auf der Strecke, obwohl gerade die hohen Arbeitslosenzahlen maßgeblich für die angespannte Haushaltslage verantwortlich seien. Waigel betonte, die geplante große Steuerreform könne schon aus gesetzestechnischen Gründen nicht vor 1999 in Kraft treten. Die Spitzensätze der Einkommen- und Körperschaftssteuer sollten gesenkt, im Gegenzug Ausnahmen eingeschränkt werden.

Es solle eine „deutliche Nettoentlastung“ geben, versicherte der Finanzminister. Ob eine Umschichtung zu indirekten Steuern, also eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, nötig werde, hänge ausschließlich davon ab, wie weit man beim Abbau von Subventionen und Sonderregelungen komme.

Waigel ging auch auf die für das laufende Jahr erforderliche höhere Neuverschuldung ein. Sie ergebe sich aus höheren Ausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit und geringeren Steuereinnahmen. Er werde alles daransetzen, die Nettokreditaufnahme für 1996 unter 70 Milliarden Mark zu halten. Geplant waren 59,9 Milliarden Mark. Für 1997 soll die Neuverschuldung auf 56,6 Milliarden Mark begrenzt werden.

Waigel versicherte, die Regierung wolle daran festhalten, keinen Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen. Deshalb seien weitere Sparmaßnahmen in der Arbeitslosenversicherung erforderlich. Der CSU- Vorsitzende verteidigte zugleich die Kürzung der Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Ostdeutschland. Der hohe Mitteleinsatz von 45 Milliarden Mark seit 1991 sei gerechtfertigt gewesen. Eine Fortsetzung bringe aber eine Gefährdung des regulären Arbeitsmarktes, ohne wirklich etwas zu verbessern.

Der Haushaltssprecher der bündnisgrünen Fraktion, Oswald Metzger, warf der Regierung Klientel-Politik vor. Der FDP-Abgeordnete Wolfgang Weng hingegen drohte SPD-regierten Ländern mit Verweigerung von Bundeszuschüssen, falls sie die Sparpolitik blockieren.

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