Schmökern in einer Freistilsprache

■ Die erste niederdeutsche Bibliothek eröffnet heute in der Neustadt

Fotos in einem Glaskasten, eine ganze Wand voll Büchern mit exklusiven Widmungen (Stefan Zweig!), ein Arbeitszimmer mit Riesenschreibtisch original nachgestellt – eher wie eine Erinne-rungsstätte an Alfred Toepfer, den berühmten Mäzen und Gründer der F.V.S.-Stiftung, wirkt der obere Raum der neuen Niederdeutschen Bibliothek.

In einem der historischen Bürgerhäuser der Peterstraße, in der Nachbarschaft des Museums für Hamburgische Geschichte und des wiedererrichteten Geburtshauses von Johannes Brahms, wird heute die von den beiden Toepfer-Stiftungen (die von Carl und die von Alfred) finanzierte Bibliothek fürs „Platt“ eröffnet, die unterhalb einer Wendeltreppe dann ihr eigentliches Inneres zeigt.

2.000 von Alfred Toepfer selbst gesammelte plattdeutsche Werke sind hier mit dem Bestand der Quckborn Vereinigung für niederdeutsche Sprache und Literatur und der Fehrs-Gilde zu einem Umfang von 5.000 Bänden und Zeitschriften vereinigt worden. Weitere leere Regale dürfen als Einladung an alle Verlage verstanden werden.

Über Jahrhunderte war das Niederdeutsche die Sprache des Nordens, bis es im 16. und 17. Jahrhundert vom Hochdeutsch verdrängt wurde. Obwohl das Niederdeutsche über keine einheitliche Rechtschreibung verfügt, nimmt seine Bedeutung in der Gegenwartsliteratur zu. In den vergangenen Jahren erschienen zahlreiche Gedichtbände wie Inseln ünner den Wind von Johann Dietrich Bellmann, Erzählungen wie Nich mit mi! von Gerd Spiekerman oder Kinderbücher wie Sleitje Piepen von Elke Paulussen. Früher als „Bauerndeutsch“ diffamiert, erinnere man sich heutzutage wieder an die eigene Kultur, meinen Vertreter der Stiftung.

Antiquarische Bände geben über Geschichte und Entwicklung des „Platt“ Auskunft. Denn neben einem Schmökerbestand für die acht bis neun Millionen Menschen, die – allerdings je nach Region ein unterschiedliches – Plattdeutsch sprechen, wollen die Bibliotheksgründer auch wissenschaftlichen Untersuchungen dienlich sein.

Die Gründer selbst sind sehr neugierig, wie viele Menschen den Weg in das ehemalige Kaffeehaus mit seinen Podesten und der charmanten Wendeltreppe finden werden. Bei einem Jahresbudget von 8.000 Mark kann die Bibliothek allerdings nur einen Tag geöffnet sein: Donnerstags von 11 bis 16 Uhr. Sollte die neue Sammlung beim Publikum jedoch sehr gut ankommen, ist an eine Erweiterung gedacht.

Kerstin Kellermann

Eröffnung, Freitag, 16 Uhr, Peterstr. 36