: Häufige Geruchsereignisse
■ Bekommt die Uni-Mensa demnächst einen Schornstein? Aber wem schadet's denn eigentlich, wenn's nach Rotkohl riecht? Von Marco Carini
Der Eimsbüttler CDU-Politiker Wolfgang Beuß verfügt über eine sensible Nase. „Regelmäßig schlecht“ werde ihm, bekennt der Freizeitparlamentarier, wenn er am Curiohaus vorbeifahre. Der Grund: aufsteigende Essensgerüche aus der Studierenden-Kantine. Noch schlimmer ergeht es offenbar den AnwohnerInnen der Hauptmensa an der Schlüterstraße. „Wir bekommen seit zehn Jahren immer wieder Beschwerden von den Nachbarn der Mensa“, klagt Uwe Czaplenski vom Eimsbüttler Umweltdezernat.
Im Gesundheitsausschuß der Eimsbüttler Bezirksversammlung sind sich deshalb die PolitikerInnen aller Fraktionen einig, daß es so nicht weitergehen kann: Der Mensa-Mief muß weg. Nur Studentenwerks-Chef Manfred Klee hatte bislang kein Einsehen. „Das Ausmaß der Beschwerden ist nicht so, daß Abhilfe geschaffen werden muß“, stellte er noch vergangenen Dienstag in dem bezirklichen Ausschuß fest. Und: „Wem schadet's, wenn es nach Rotkohl riecht?“
Doch daß Kohldüfte nach Stand der Wissenschaft als gesundheitlich unbedenklich gelten, ist für das bezirkliche Umweltamt kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Uwe Czaplenski macht „erhebliche Belästigungen“ der AnwohnerInnen aus und kann sich dabei auf das Bundesimmissionsschutzgesetz und bindende Richtlinien des Ingenieur-Verbandes berufen.
Danach müssen störende Gerüche weder schädlich sein noch darf es ununterbrochen nach brauner Mehlpampe und gedünsteten Schnitzeln riechen. Czaplenski: „Wenn es innerhalb von 60 Minuten zu einem sechsminütigen Geruchsereignis kommt, spricht man von einer Geruchsstunde“. Und wenn ein Betrieb mehr als durchschnittlich eine „Geruchsstunde“ täglich emittiert, sind die Behörden gezwungen einzugreifen.
Nicht daß das Studentenwerk keine Gesprächsbereitschaft gezeigt hätte, die Küchendüfte mit High-Tech-Maßnahmen zu verringern. Doch eine sogenannte Röhrenwäscheranlage (Preis: 240.000 Mark) erwies sich zur Duftdämpfung als ungeeignet, ein Filtersystem auf Aktivkohlefilter-Basis (Preis: 250.000 bis 300.000 Mark) ist dem Studentenwerk vor allem wegen der hohen Unterhaltskosten von 70.000 Mark zu teuer. Klee: „Das hängen wir uns nicht an die Backe“.
Doch genau das müßte Klee tun, wäre die Mensa nicht die Mensa. Bei jeder Privat-Pizza und jedem Eckimbiß könnte der Bezirk einfach entsprechende Geruchsdämpfungsmaßnahmen anordnen und den Gastronomiebetrieb bei Nichteinhaltung notfalls sogar dichtmachen. Doch die Mensa muß sich als Anstalt öffentlichen Rechts den Weisungen des Bezirks nicht beugen. Nur eine erfolgreiche AnwohnerInnenklage vor dem Verwaltungsgericht oder eine Weisung von Wissenschaftssenator Hajen könnte das Studentenwerk zwingen, Abhilfe zu schaffen.
Weil Mensa-Chef Klee keine einvernehmliche Lösung mit dem Bezirk suchte, sondern nur auf Anordnung der Wissenschaftsbehörde tätig werden wollte, mußte er sich von CDU-Parlamentarier Beuß derbe Rüffel anhören: „Ihr arrogantes Verhalten zeigt keinerlei Sensibilität für die Probleme der Anwohner“. Umweltdezernent Czaplenski setzte sogar noch einen drauf: „Ich bin verbittert über diese Ignoranz“.
Die ärgert die KommunalpolitikerInnen umso mehr, als das Geld für eine Filteranlage oder auch einen Abluftschornstein sogar zur Verfügung steht. Das Studentenwerk warb entsprechende Haushaltsmittel in Höhe von 300.000 Mark bereits ein und bekam sie bewilligt. Nur ausgegeben werde die (Aktiv-)Kohle bislang nicht, da Klee die teure Geruchsbekämpfung als „unverhältnismäßig“ empfand.
Das aber hat sich nun offenbar geändert: Zwei Tage nachdem er im bezirklichen Gesundheitsausschuß derbe Schelte bezog, probte Klee am Freitag die Kehrtwende. „Wir werden jetzt ernsthaft versuchen eine einvernehmliche Lösung mit dem Bezirk zu finden“, teilte der Studentenwerk-Geschäftsführer der taz am Gründonnerstag überraschend mit. Das Studentenwerk will nun von einem Ingenieurbüro untersuchen lassen, welche Ausmaße ein Abluftschlot haben müßte, der die Geruchsbelästigung beseitigt. Klee: „Der Schornstein ist nach derzeitigem Sachstand die einzige Lösung“.
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