: Schauspielern als eine Lebensperspektive
■ Die Theaterwerkstatt Thikwa bildet Behinderte zu Bühnendarstellern aus
Die Theaterwerkstatt Thikwa ist ein in Deutschland einzigartiges Projekt: Seit anderthalb Jahren werden hier zwölf geistig und körperlich Behinderte professionell zu Schauspielern ausgebildet. Hervorgegangen ist das Modellvorhaben aus gemeinsamen Inszenierungen von behinderten Laienschaupielern und nichtbehinderten Profis des Theaters Thikwa. Die behinderten Darsteller mußten das Probenpensum zusätzlich zu ihrem Arbeitsalltag bewältigen – eine auf die Dauer unerträgliche Belastung.
Das Modellprojekt, das finanziell vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt wird und mit der Nordberliner Werkgemeinschaft zusammenarbeitet, sollte neue Möglichkeiten schaffen. Ziel sei es, begabten Frauen und Männern eine „solide Schauspielausbildung“ und damit Raum zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu bieten, „wie es sie für jeden Nichtbehinderten auch gibt“, sagt Geschäftsführer Rainer Esche. Dabei gehe es nicht darum, „am Ende lauter perfekte Schauspieler zu haben, die Shakespeare rezitieren können, sondern bestehende Fertigkeiten zu entwickeln“.
Als „Beschäftigungstherapie“ will sich die Werkstatt auf keinen Fall verstanden wissen. „Wir wollen keine fröhliche Laienspielschar auf die Beine stellen, sondern künstlerische und ästhetische Ansprüche verwirklichen“, betont der Geschäftsführer. „Wenn wir vielleicht auch keine Berufsperspektive bieten können, so schaffen wir hier doch Lebensperspektiven“, fügt er hinzu.
Die Ausbildung bei Thikwa umfaßt nicht nur das Schauspieltraining, sondern auch die Förderung handwerklicher und gestalterischer Fähigkeiten. Dies diene auch dazu, allzu überzogenen Erwartungen der Schüler vorzubeugen, betont Esche. „Das ist wichtig für die Bodenhaftung.“ Zudem stehen Rehabilitationsmaßnahmen wie Maltherapie auf dem Stundenplan.
Regisseur Peter Baer, der mit „Ein anderer Teil des Waldes“ sein erstes Stück bei Thikwa inszeniert, verweist vor allem auf die Bereicherung, die ihm die Arbeit mit den behinderten Schauspielern bedeutet. Sie hebe die „Trägheit der Konventionen“ auf und liefere Anregungen, sagt er. So müsse eine neue Form gefunden werden, die Texte zu sprechen. Die Aufnahmen auf Diktaphone spielten deshalb eine wichtige Rolle.
„Ein anderer Teil des Waldes“ ist vom 14. bis 20. September, 20 Uhr, in der Akademie der Künste zu sehen. Karten können unter der Telefonnummer 614 64 67 reserviert werden. epd
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