■ Kommentar: Kein Grund zum Jubeln
Verkehrssenator Klemann hat endlich einmal etwas entschieden. In Absprache mit Innensenator Jörg Schönbohm gab er dem „Deutschland Fest“ einer kommerziellen Produktionsfirma den Vorrang vor einer antimilitaristischen Demonstration am 3. Oktober. Und das, obwohl das „Antimilitaristische Oberjubel-Komitee“ eindeutig der erste Anmelder war. Schon Ende August hatte Klemann auf Anfrage erklärt, daß ihm ein Volksfest im Gegensatz zu linksgerichteten politischen Aufzügen äußerst sympathisch sei. Bei aller volkstümlicher Begeisterung hatte Klemann jedoch übersehen, daß das unliebsame Jubelkomitee pünktlicher als der ordentlichste Bürokrat war.
Natürlich ist es nachvollziehbar, daß christdemokratischen Politikern eine antimilitaristische Demonstration jederzeit und besonders am Tag der deutschen Einheit ein Dorn im Auge ist. Daß sie aber so weit gehen, die grundgesetzliche Demonstrationsfreiheit einzuschränken, die auch die Wahl des Demonstrationsorts mit einbezieht, gibt zu denken.
„Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur für sich selbst da, sondern repräsentiert auch unseren Staat in der Weltöffentlichkeit“, hatte Schönbohm nach der Räumung besetzter Häuser im August verkündet. Nun werden bei dem von Lufthansa und Bundesbahn gesponserten Fest Trachtenkapellen und Streetshowbands mit ihrem klamaukigen „Tätärä“ das deutsche Politikverständnis repräsentieren. Von gebotener Toleranz gegenüber oppositionellen Gruppen will der Senat nicht einmal in Festtagsstimmung etwas wissen. Dabei könnte, so die Argumentation der Verteidiger des Jubelkomitees, auch eine „friedliche und originelle Demonstration gegen Militarismus dem Ansehen Berlins dienen“.
Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, die am 3. Oktober gefeiert werden soll, war aber die Folge breiter Massendemonstrationen in der DDR. Neben Reisefreiheit und Bananen ging es damals auch um das Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Der Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ sollte auch im wiedervereinigten Berlin gelten. Die Senatoren scheinen aber nur sieben Jahre nach dem Fall der Mauer bereits vergessen zu haben, was sie eigentlich feiern lassen wollen. Gereon Asmuth
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