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„Beim ersten Mal stinkt's!“

■ Hafa '96: Neun lustige Tage für die Hausfrau in dir und mir / Ein Rundgang

Eine Frau schreit: „Aua!“ Und immer wieder: „Aua!“ Ein Mann mit einer rotierenden Haarbürste versucht, durch ihr verfilztes Haar zu kommen. Der Propagandist des „Swing Stylers“ müht sich ebenso engagiert wie vergeblich. Man sollte meinen, die Schmerzensschreie sprächen gegen das innovative Produkt. Mitnichten! Die Zuschauerinnen diskutieren angeregt Fragen der Haarstruktur. Der Bürstenabsatz ist reißend.

Wir sind auf der hafa. „Hafa“ – klingt das nicht ein wenig wie „Haushalt und Familie“? Oder schlimmer: „Hausfrau und Familie“? Genau das ist das Problem: Frau Zinter, Pressesprecherin der Fachausstellungen Heckmann GmbH, die die Bremer hafa ausrichtet, feilt seit Jahren am muttimäßigen Image der Ausstellung. Vergeblich. Vor 68 Jahren entstand die Hausfrauenmesse auf Bestreben des Deutschen Hausfrauen-Bundes. Nach dem Krieg waren es Goslarer Hausfrauen, die die Nachkriegshafa anschoben. Auch heute noch firmiert die Hausfrauenlobby als „ideelle Trägerin“. Hartes Brot für Imagepolierer.

Der hafa geht's wie der Hausfrau – es ging mal besser. 1978 hatte sie fast doppelt so viele Besucherinnen wie heute; die standen damals bis zum Bahnhof um Tickets an. Doch auch heute noch kommen über 100.000. Und die Zahl der Aussteller nimmt sogar zu: Dieses Jahr bieten 560 ihre Produkte an, da kann die Betreiberin Besucherrückgänge verschmerzen. Die Standmieten bringen nämlich das meiste Geld. Männer stehen dem Phänomen hafa gemeinhin fassungslos gegenüber. Warum sich das Sortiment von Karstadt ansehen und dafür noch 12 Mark bezahlen?

Die Frauen, die mit Bussen aus dem Umland anreisen, sehen das anders: Die hafa ist ein Event. Ein lustiger Tag. Hier ein Geheimtip, da ein Pröbchen, Essen und Trinken, koste es was es wolle, und vor allem: Die Hausfrau, die gemeinhin nur verschämt ihren Beruf preisgibt, wird hier umworben.

Zum Beispiel in Halle 8 (Nahrungs- und Genußmittel, Hauswirtschaft). Hier ist der Bär los. Ganze Landfrauenverbände probieren badische Weine und legen die geschwollenen Füße hoch. Immerhin sind insgesamt über 40.000 qm hafa zu bewältigen. Und dann gibt es hier all die „großen und kleinen Heinzelmännchen, die den Haushalt erleichtern, die Tausendsassas aus der Steckdose“. Dinge, auf die man schwören kann.

Gibt es ein drängenderes Problem im Haushalt als Kalk? Öko-Pac, HaRa, Tima-Special, Addi-Fix: Jeder Stand hat sein eigenes Kalkfresserchen. „Wat Se damit nich wegkriegen, kriegen Se mit nix weg!“ Die Propagandistin des „Zielinsky Universal-Steins“ wischt so mühelos, wie es ihr niemand später daheim nachmachen wird, Angebranntes von der Kochplatte. Alle Naslang entdeckt sie im Publikum Kundinnen vom Vorjahr: „Sagen Se doch mal dem jungen Mann hier, wie gut der Stein ist!“ Das wird ausnahmslos bestätigt.

Natürlich bietet die hafa auch Trends (aber die brauchen niemanden zu beunruhigen): Zurück zur dreigeteilten Matratze! etwa. Weil die leichter zu lüften ist. Oder Trinkt mehr Milch! entsprechend den Forderungen der Förderungsgesellschaft für Milchgaststätten. Der Deutsche Hausfrauen-Bund präsentiert sich diesmal unter dem Motto „Single 2.000“. Entsprechend sein Angebot: Einsam am Kochtopf? Nein! Gemeinsam im Single-Kochclub!

Wie konnte man eigentlich bis heute ohne ein Dampfgerät leben? Mit einem Dampfgerät kann man Fenster sauberdampfen, Jacketts glattdampfen, Unkraut wegdampfen u.s.f. Heißer Wasserdampf gelangt in alle Ritzen, und jede richtige Hausfrau weiß, wozu Ritzen imstande sind. Außerdem ist Heißdampf öko, weil man ohne Chemie auskommt.

Am überzeugendsten erklärt die Propagandistin der Parallel-Dampfgeräte die Notwendigkeit ihres Produktes (DM 1598.-): Man gelangt mit seiner Hilfe an den mit Urinstein und anderen Unaussprechlichkeiten zugesetzten oberen Innenrand der Kloschüssel! „Beim ersten Mal müssen Sie sich die Nase zuhalten!“ BuS

Noch bis Sonntag

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