: SPD für „demokratisches“ Gelöbnis
■ SPD will Soldaten nur noch an Orten vereidigen, die eine „antifaschistische und demokratische Tradition“ haben. Eklat auf dem Parteitag. Geschäftsführer Hartung tritt vom Rücktritt wieder zurück
Wegen öffentlicher Gelöbnisse der Bundeswehr ist es am Ende des SPD-Parteitags zum Eklat gekommen. Die Frage brachte die GenossInnen derart in Rage, daß Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung zunächst seinen Rücktritt erklärte. Der Parteitag beschloß nach einigem Wirrwarr in der Kongreßhalle am Alexanderplatz: Öffentliche Gelöbnisse sollen an Orten in der Stadt stattfinden, die die „antifaschistische und demokratische Tradition Deutschlands“ dokumentieren. Dafür sollte die SPD in Parlament und Regierung „alle Anstrengungen unternehmen“.
Ursprünglich lag dem Parteitag ein Antrag vor, der sich für eine grundsätzliche Ablehnung öffentlicher Gelöbnisse aussprach. Im Mai war es wegen des Treueschwurs auf die Verfassung, den 300 Rekruten vor dem Charlottenburger Schloß leisteten, zu einer heftigen Kontroverse in der Stadt gekommen. Das Gelöbnis vor mehreren hundert Ehrengästen, darunter Bundespräsident Roman Herzog und Verteidigungsminister Volker Rühe, konnte überhaupt nur unter starkem Polizeischutz stattfinden. Eine Gegendemonstration wurde damals verboten. Der Bezirk Charlottenburg und eine antimilitaristische Kampagne hatten sich bis zuletzt gegen das öffentliche Gelöbnis gewehrt.
Die SPD-Delegierten erregten am Samstag mehrere Änderungsanträge zum Gelöbnis. Viele SPDlerInnen empörten sich über den Vorschlag der Delegierten Brigitte Miesner, Gelöbnisse künftig in der Mahn- und Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sachsenhausen abzuhalten. Dort hätten die Soldaten der Naziwehrmacht Hitler die Treue bis zum Tod schwören müssen, wurde kritisiert.
Zur Alternative stand auch ein Antrag, die Bundeswehrsoldaten sollten grundsätzlich in Kasernen ihre Bereitschaft erklären, die Verfassung und den Frieden notfalls bis zum Tode zu verteidigen.
Eine breite Mehrheit fand sich schließlich für den Kompromiß, Gelöbnisse auch in der Öffentlichkeit gutzuheißen – sofern dies mit einer deutlichen örtlichen Abgrenzung zur militaristischen und faschistischen Vergangenheit Deutschlands geschehe. Das Gelöbnis in Charlottenburg war auch wegen seiner pompösen Inszenierung vor einem Hohenzollernschloß, einem Sinnbild des preußischen Militärstaats, auf Ablehnung gestoßen.
Schwere Kritik mußte sich das Präsidium des SPD-Parteitags gefallen lassen. Die Versammlungsleitung habe es nicht verstanden, die einzelnen Anträge korrekt abstimmen zu lassen. Daher sei es zu dem Durcheinander gekommen. Der Landesgeschäftsführer der SPD, Rudolf Hartung, warf dem Präsidium dabei sogar Manipulation vor. Hartung war sehr erregt und legte sich mit Parteichef Detlef Dzembritzki an, dem er schließlich seine schriftliche Rücktrittserklärung überreichte. Dzembritzki hat sich dem Vernehmen nach jedoch mit Hartung gestern morgen darauf verständigt, daß das Schreiben „gegenstandslos sei“. Christian Füller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen