Ausgebremst von alten Politikstrukturen

■ Die Verwaltungsreform kommt kaum voran, weil die Politik nicht mitzieht

„Wenn die Politiker der Meinung sind, wir müßten Einhundertmarkscheine an der Straßenecke verteilen, dann sollte die Verwaltung diese Aufgabe wahrnehmen, aber so wirtschaftlich wie irgend möglich.“ So beschrieb ein Mitarbeiter der Finanzverwaltung eines der wichtigsten Ziele der Verwaltungsreform: die Verwaltung soll effizienter werden. Rund 150 Zuhörer waren der Einladung des Bildungswerks für alternative Stadtpolitik ins Schöneberger Rathaus gefolgt, um nach zwei Jahren Reformanstrengungen Bilanz zu ziehen: Rechtsamtsleiter, Bezirksverordnete und vor allem Beschäftigte diverser Verwaltungen. Das Verhältnis zwischen sich reformierender Verwaltung und der in alten Strukturen verharrenden Politik war beherrschendes Thema. Deutlich wurde einmal mehr der Kulturschock, den viele Verwaltungsjuristen durchmachen, seit sie sich mit Begriffen wie Qualitätszirkel, Budgetierung oder Personalmanagement konfrontiert sehen. Nach wie vor wollen sich viele Amtsstubenjuristen nicht damit abfinden, daß der Bürger nun als Kunde zu betrachten sei.

Um eine effizientere Verwaltung zu erreichen, muß erst mal geklärt werden, wieviel der einzelne Verwaltungsakt, etwa das Erstellen eines Sozialhilfebescheids, eigentlich kostet. Auch sollen sparsame Abteilungen nicht dadurch bestraft werden, daß eingesparte Beträge im nächsten Jahr automatisch gestrichen werden. Die neu einzurichtenden Leistungs- und Verantwortungszentren (LUV's) sollen über ihre Mittel eigenständiger verfügen. Verwaltungsleiter sollen mit ihren Mitarbeitern Zielvereinbarungen treffen, wie diese ihre Aufgaben zu erledigen haben.

Doch noch gibt es nur sehr wenige solcher LUV's, und auch Zielvereinbarungen wurden erst wenige abgeschlossen, „furchtbar wenige“, findet Brunhilde Dathe, Reformbefürworterin und ehemalige bündnisgrüne Bürgermeisterin von Hohenschönhausen. Sie machte eine „Mißtrauenskultur“ zwischen Politik und Verwaltung für das Stocken der Reform verantwortlich und forderte, die Politik müsse sich spiegelbildlich zur Verwaltung ändern.

In Schöneberg habe ein LUV Sparvorgaben eigenverantwortlich und solidarisch auf die einzelnen Bereiche verteilt, ergänzte die bündnisgrüne Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer: „Dann aber sind die Bezirksverordneten gekommen und haben ein Amt noch mal mit Kürzungen belastet. Da waren die Mitarbeiter entsetzt.“

Auch ein Mitarbeiter aus der Sozialverwaltung berichtete, wie die Politik reformfreudigen Verwaltungen in die Quere kommt. In seiner Verwaltung habe es eine „sehr engagierte Modellabteilung“ gegeben, die nach den letzten Wahlen „zerschlagen“ worden sei. Von den 1.000 Beschäftigten dieses Arbeitsbereichs werde sich keiner mehr an Diskussionen über Verwaltungsreform beteiligen – „da sind nur demotivierte Reste geblieben“. Christian Meseth