Nachgefragt: „Nicht zufrieden“
■ Gewerkschaften setzen sich bei Tarifabschluß im Einzelhandel durch
Der Tarifabschluß im Bremer Einzelhandel ist perfekt: Nach fünf Verhandlungsmonaten legten Arbeitgeber und Gewerkschaften jetzt ein Ergebnis vor. Rückwirkend zum 1. Mai erhalten die rund 30.000 Beschäftigten im Einzelhandel 1,85 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Außerdem soll ihnen bis Ende 1997 der volle Lohn im Krankheitsfall gezahlt werden. Wenn ab 1. November das neue Ladenschlußgesetz gilt, erhalten Beschäftigte Freizeitzuschläge von 20 Prozent zwischen 18.30 Uhr und 20 Uhr sowie samstags zwischen 14 und 16 Uhr. Zwei Sonnabende im Monat bleiben allerdings zuschlagsfrei. Wir sprachen mit Norbert Caesar, Vorsitzender der Tarikommission der Arbeitgeber, über den Tarifabschluß.
taz: Die Einigung überrascht. Freizeitzuschläge haben Sie immer als Ding der Unmöglichkeit abgelehnt – haben höhere Kosten und Personalabbau in kleineren Betrieben an die Wand gemalt – jetzt sind Sie gegenüber den Gewerkschaften eingeknickt.
Norbert Caesar, Vorsitzender der Tarifkommission der Arbeitgeber: Das Problem ist, daß wir für Bremen keine Einzellösung bekommen können. Da ist uns die Bundesrepublik auf die Füße gefallen. Und in diesem Gesamtrahmen waren 20prozentige Zuschläge nicht zu verhindern. Wir haben immerhin zwei zuschlagsfreie Samstage hinbekommen, während es im Bundesgebiet nur einen gibt.
Sie haben also die Tarifabschlüsse in vier anderen Bundesländern übernehmen müssen. Vorher hatten Sie nicht mit diesem bundesrepublikanischen Druck argumentiert.
Wir konnten nicht verhindern, daß hier Dinge vereinbart wurden, die über die bremische Leistungsfähigkeit hinausgehen. Wir haben aber zum Beispiel die Anhebung des Weihnachtsgeldes in Bremen nicht durchgeführt. Das wurde in anderen Bundesländern nicht gemacht.
Die Gewerkschaften gehen also als Sieger, die Arbeitgeber als Verlierer aus dem Rennen.
Zum Teil. Auch die Gewerkschaften haben ein bißchen Haare lassen müssen. Zum einen das Weihnachtsgeld, das bleibt auf 60 Prozent. Außerdem die zwei zuschlagsfreien Samstage, und zum dritten haben wir mit den Gewerkschaften vereinbart, daß wir uns im Januar zusammensetzen, um das Thema Beschäftigungssicherung im Handel intensiv zu diskutieren.
Aber diese Einbußen sind ja nichts gegen die jetzt vereinbarte 100prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Sie ja auch zugestimmt haben.
Das ist richtig. Wir haben das Problem gehabt, daß im Prinzip drei Dinge gleichzeitig auf uns zukamen: Einmal die Lohn- und Gehaltstarifverträge, zweitens die Arbeitszeitveränderung und zum dritten die veränderte Lohnfortzahlung. Diese beiden Gesetze sind uns sozusagen in die Tarifrunde reingeplatzt. Von daher haben wir bei der Lohnfortzahlung gesagt: Der Handel sollte aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht Vorreiter für irgendwelche Vereinbarungen sein.
Bei so einem Abschluß, so haben Sie prophezeit, würden vor allem kleinere Einzelhändler aus dem Verband und damit aus dem Tarifvertrag austreten.
Das ist richtig. Damit sprechen Sie genau den Punkt an, wo uns auch angst und bange geworden ist. Wir haben unsere berechtigten Wünsche gegenüber den Gewerkschaften nicht durchsetzen können.
Haben Sie denn jetzt schon wütende Anrufe von einzelnen Händlern bekommen?
Bisher noch nicht. Das ist ja noch nicht so durchgedrungen. Wir hoffen, daß wir unsere Mitglieder bei der Stange halten können. Aber um es ehrlich zu sagen: Ganz zufrieden bin ich mit dem Abschluß nicht.
Fragen: kat
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen