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Scherf: „Ich hatte sowieso keine Angst“

■ Scherf bleibt Justizsenator / Grüne und AfB mit Mißtrauensantrag gescheitert / Drei Überläufer

Die Opposition freute sich zu früh. „69 Ja-Stimmen“, verlas Reinhard Metz (CDU) gestern in der Bürgerschaft das Abstim-mungsergebnis über den Mißtrauensantrag gegen Justizsenator Henning Scherf (SPD). Einen kurzen Moment wechselten Grüne und AfB verdutzte Blicke, dann klopften sie auf ihre Tische. „Äh, 69 Nein-Stimmen“, verbesserte sich der Präsident der Bürgerschaft sofort. Die Abgeordneten von CDU und SPD brachen in Gelächter aus und trommelten auf die Tische. „Herr Bürgermeister, ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt“, wandte sich Metz an Scherf. Doch der schien die Entschuldigung nicht zu hören. Strahlend nickte er den trommelnden Großkoalitionären zu.

69 von den 97 anwesenden Abgeordneten haben Scherf, den die Opposition wegen der Durchsuchungsaktion in Bremer Redaktionen absetzen wollten, gestern in geheimer Abstimmung ihr Vertrauen ausgesprochen. 28 wollten den Justizsenator stürzen. Drei Überläufer aus der Großen Koalition stimmten mit der Opposition.

Kurz zuvor hatte SPD-Fraktionschef Christian Weber noch die absolute Geschlossenheit der Großen Koaltion beschworen. Der Mißtrauensantrag sei nichts weiter als eine „Inszenierung der Opposition“, schimpfte er. „Das ist der Versuch, die Regierung zu destabilisieren. Das werden Sie nicht schaffen. Sie werden eine geschlossene Koalition vorfinden.“ Zwei Tage vor dem Mißtrauensantrag hatte die SPD allerdings versucht, eine offene Abstimmung durchzusetzen und war bei der CDU auf taube Ohren gestoßen.

Doch in der Debatte hielt die Koalition zusammen. „Sie wollen doch nur sehen, wieviele mit der Opposition stimmen“, sagte CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer. Seit der Durchsuchungsaktion sei alles getan worden: Der Senat und die Bürgerschaft hätten sich von der Durchsuchung distanziert, der verantwortliche Generalstaatsanwalt Janknecht sei nicht mehr Leiter der Justizpressestelle, das Verfahren sei eingestellt worden. „Alle rechtlichen Konsequenzen sind gezogen“, so Neumeyer.

Das sahen Grüne und AfB anders: „Es gibt keine nennenswerten Konsequenzen aus dieser Affäre“, kritisierte Dieter Mützelburg (Grüne). „Niemand ist politisch verantwortlich. Juristisch war alles fragwürdig, aber in Ordnung. Es gibt keine diziplinarischen Ermittlungen gegen den zuständigen Generalstaatsanwalt. Das Ermittlungsverfahren, dessenwegen die Durchsuchungen stattfanden, wurde eingestellt.“ Mützelburg erinnerte die CDU an ihre Empörung unmittelbar nach der Durchsuchung. Nachdem der mutmaßliche Informant allerdings im CDU-geführten Finanzressort ausgemacht worden wäre, würde sich die CDU jetzt zurückziehen. „Die scheinbare Prinzipientreue Ihrer Spitzenleute ist nicht mehr gewesen als Getöse im Koalitionsgemuddel.“ „Sie haben gebrüllt, und jetzt knicken Sie ein wie Papiertiger“, warf auch Andreas Lojewski (AfB) der CDU vor. Bremen sei nach der Durchsuchung „zum Synonym für eine beispiellose Kampagne gegen die Pressefreiheit geworden. Dafür tragen Sie die Verantwortung, Herr Scherf.“

19 ähnliche Fälle hätte es bundesweit gegeben – ohne eine solche Debatte, wehrte Scherf ab. „Ich hatte sowieso keine Angst“, sagte er nach dem mißglückten Mißtrauensantrag gegenüber der taz. „Wie ich mich fühle? Wie in einer Geschichte, die immer weiter geht und weiter geht.“ kes

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