: Soundso aus Helikoptern
■ Kabarettist Horst Schroth in den Kammerspielen
Horst Schroth ist ein netter Kerl. Mit den Kollegen aus der Kampnagelfabrik und mit seinem Kumpel Achim Konejung praktiziert er vor Publikum die locker anmutende scharfe Rede und Widerrede.
Diese Rede drängt mit Witz und Schnelligkeit an die Grenzen des Wirtschaftsstandortes Deutschland, wo eine Art sarkastischer Idealist Metaphern baut. „Der Soundso macht in Helikoptern: viel Staub aufwirbeln und dann in die Lüfte entschwinden“, äußert sich Schroth in Scharf auf Harakiri als Nick Niehoff, der Public-Relations-Mann des Chemie-Konzerns „Medicure“, über einen Kollegen. Niehoff soll eine Debatte mit dem Titel „Chemie ist ein Stück Lebenskraft“ moderieren. Allerdings lassen sich die für die Veranstaltung geladenen Industriemanager auch unentschuldigt entschuldigen. Aus der Zwickmühle, nämlich zwischen einem interessierten Auditorium und einer teilnehmerlosen Diskussionsrunde zu stecken, zwängt sich Niehoff heraus, indem er über die nicht Erschienenen auspackt. Die lautesten Lacher bekam Schroth aber weniger für die Döntjes über diese, sondern über deren schwieriges Auskommen mit den Gattinnen. Die Frauen nerven ihre durchschaubaren, aber doch putzigen Männer als überdrehte Assistentin beim Kleiderkauf oder als jenes Wesen mit dem Namen Yoko Ono, welcher der Menschheit die Auflösung der Beatles verdanke.
Schon klar, daß für Schroths Niehoff solche Märchen über Frauen dazugehören müssen. Und daß deren Weg von Ressentiments gegen die Geliebte des Beatles und die Ehefrau des Ex-Beatles John Lennon zu Ressentiments gegenüber dem Standortkonkurrenten Japan führt. Aber es mutet doch seltsam an, wenn während der „Diskussion“ um Bettler in der U-Bahn und Verabschiedung von Sparpaketen die Aufforderung zum Giggeln so leicht ergeht wie in Scharf auf Harakiri.
Es bleibt die Frage, warum im Gegensatz zur bildenden Kunst und zu Teilen der Literatur das Kabarett so voller Unschuld aus den 60er Jahren herausgekommen ist. Oder etwas höher gehängt: warum das Kabarett von dem ersten Moment bundesdeutscher Verunsicherung nach dem Krieg, bestehend aus Kuba-Krise, Kennedy-Attentat, Spiegel-Skandal und dem damit verbundenen Ende der Regierungszeit Adenauers, nicht richtig weggekommen ist. Auch wenn Horst Schroth ganz nett ist. K. Schreuf
bis 5. Okt., 20 Uhr, Kammerspiele
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