: Kultursenator gibt Tacheles zum Abschuß frei
■ Nachdem der Senat dem Eigentümerwechsel an den Bund zugestimmt hat, stehen Tacheles und der Investor Fundus unter Druck. Fundus will Tacheles nur noch 10 Jahre sichern. Der Bund will räumen
Die Situation um das Tacheles hat sich dramatisch zugespitzt. Der Grund dafür ist die Entscheidung von Kultursenator Peter Radunski (CDU), der Eigentumsüberschreibung des Kunsthauses und diverser anderer Grundstücke auf dem Tachelesgelände an den Bund zuzustimmen. Die Kulturverwaltung gab damit ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Beschluß des ehemaligen Finanzsenators Elmar Pieroth auf, der im August 1995 entschieden hatte, die Grundstücke dem Bund zu überschreiben.
Die Oberfinanzdirektion (OFD), die die Grundstücke des Bundes verwaltet, hat in internen Gesprächen mit der Kulturverwaltung und dem potentiellen Investor, der Kölner Fundus-Gruppe, bereits durchblicken lassen, daß das Gebäude nicht verkehrssicher sei, und eine Räumung angedroht.
Mit der neuen Linie des Kultursenators wird der Bund bereits in vier bis sechs Wochen als Eigentümer im Grundbuch eingeschrieben sein. Falls die Räumung des Tacheles abgewendet werden soll, müßte innerhalb dieses Zeitraums der Verkauf des Geländes an die Fundus-Gruppe unter Dach und Fach gebracht werden.
Doch bislang scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Die Fronten zwischen dem Investor, der auf dem Gesamtgelände das städtebauliche Projekt „Ei am Tacheles“ entwickeln will, und dem Tacheles-Verein haben sich sogar verschärft. So bietet Fundus-Chef Anno August Jagdfeld den Off- Künstlern nur noch einen Nutzungsvertrag für die Dauer von 10 Jahren an. Ursprünglich war die Subventionierung der Kunstruine für 30 Jahre vorgesehen. Seinen Rückzieher begründete Jagdfeld damit, daß sich mit den schwierigen Verkaufsverhandlungen das Projekt verschoben habe und „die Möglichkeiten der Sonderabschreibung als Investitionshilfe verlorengegangen“ seien.
Zuvor hatte das Tacheles Jagdfeld erneut aufgefordert, das Kunsthaus in Form einer Stiftung zu erhalten. Doch auch dies lehnte Jagdfeld mit Hinweis auf die Verzögerungen ab. Jagdfeld wörtlich: „Der von der Senatsverwaltung und der Oberfinanzdirektion vorgegebene enge Zeitrahmen zwingt uns, schwierige Verträge in einem kurzen Zeitraum zu verhandeln und abzuschließen.“
Mit der ablehnenden Haltung Jagdfelds gegenüber dem Stiftungsmodell und der Reduzierung eines möglichen Nutzungsvertrags auf 10 Jahre ist der Konflikt um das Tacheles programmiert. Daß sich der Tacheles-Verein nicht um jeden Preis in das Fundus-Projekt integrieren lassen will, war in der Vergangenheit deutlich geworden. So forderte das Kunsthaus immer wieder den Erhalt der Freifläche hinter der Tachelesruine. Fundus selbst will das Gelände bebauen und hinter der Ruine einen Platz schaffen, an dem sich auch Bistros und Spitzengastronomie ansiedeln sollen. Eine Abspaltung des Tacheles, die Initiative „ID-Tacheles“, arbeitet dagegen eng mit dem Investor zusammen. Dirk Cleslak von „ID-Tacheles“ wertete die Entscheidung Radunskis gestern als Reaktion auf die Streitigkeiten im Tacheles. Die Initiative, deren Vertreter im letzten Jahr die Mehrheit im Vereinsvorstand verloren hatten, hatte in den letzten Monaten immer wieder die skeptische Haltung des neuen Vereinsvorstands gegenüber Fundus sowie die künstlerische Entwicklung kritisiert. Uwe Rada
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