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Vormarsch der Taliban

■ Hunderttausende fliehen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul

Kabul (AFP) – Die fundamentalistischen Taliban-Kämpfer haben gestern ihren Vormarsch in den Norden Afghanistans fortgesetzt und sich offenbar auf Gefechte mit der Usbeken-Miliz von Abdul Raschid Dostam vorbereitet. Nach Angaben von Augenzeugen drangen die Taliban zunächst bis zum strategisch wichtigen Salang-Paß vor.

Der Salang-Tunnel bildet den Zugang zum Norden des Landes, der im westlichen Teil von den Dostam-Kämpfern und im Osten von den Truppen des entmachteten Präsidenten Burhanuddin Rabbani kontrolliert wird. Dostam hatte sich bisher aus den Kämpfen zwischen den Taliban-Milizen und den Regierungstruppen herausgehalten. Gestern entsandte er angeblich Tausende von Soldaten zur Verstärkung an die Salang-Front. Rabbani kündigte einen „Kampf zur Befreiung Afganistans“ an und beschuldigte Pakistan, hinter dem Taliban-Vormarsch zu stehen. Vermutungen über ein mögliches Stillhalteabkommen zwischen den Taliban und Dostam, einem der einflußreichsten Kriegsherren, schienen sich nicht zu bestätigen.

Am Sonntag hatten die Taliban, die gut zwei Drittel des Landes kontrollieren, bereits die nördlich von Kabul gelegenen Städte Scharikar und Dschabal us Saradsch erobert. Ein Taliban-Sprecher sagte, die Miliz habe den Auftrag, Rabbani und seine Anhänger sowie seinen Militärchef Achmad Schah Massud und dessen Truppen in das Panschir-Tal zu verfolgen, wohin sie geflohen waren.

Schätzungen zufolge flohen mehr als 250.000 Menschen, etwa ein Viertel der Bevölkerung Kabuls, in Bussen, Lastwagen und anderen Fahrzeugen in Richtung Norden. Auch gestern war ein kilometerlanger Flüchtlingstreck unterwegs. Ein Mitglied des in der Hauptstadt herrschenden Taliban- Rates, Sajed Ghiasuddin, sagte gestern, die Scharia, das islamische Gesetz, werde strikt angewandt: Dieben werde die Hand abgeschlagen, Mördern der Kopf abgetrennt, Ehebrecherinnnen würden zu Tode gesteinigt. Über den Rundfunk wurden Beamte und Armeekader angewiesen, sich innerhalb von eineinhalb Monaten einen Bart wachsen zu lassen und sich nicht zu rasieren.

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