piwik no script img

4.000 Mercedes-Sterne weniger

■ Weit mehr als 100.000 Metaller protestieren gegen Lohnkürzungen im Krankheitsfall. Produktionsausfälle in Höhe von 200 Millionen Mark allein bei Daimler-Benz. Siemens und Audi knicken ein und zahlen vorerst 100 Prozent

Stuttgart/Düsseldorf (dpa/AP/AFP/taz) – Der Protest gegen die Lohnkürzung bei Krankheit hat gestern mit dem Inkrafttreten des neuen Bonner Gesetzes seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Bei einer der bislang größten gewerkschaftlichen Aktionen gegen Sozialabbau demonstrierten mehr als 100.000 Metaller mit Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen. Schwerpunkte waren Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Allein bei Mercedes-Benz kam es zu Produktionsausfällen in Höhe von 200 Millionen Mark. Mehr als 4.000 Autos rollten nicht vom Band, so die Gewerkschaften.

Zielscheibe der Proteste am Dienstag waren vor allem die Automobilhersteller. Betroffen war besonders der Daimler-Benz-Konzern, der als erster großer Metallarbeitgeber die Anwendung des neuen Gesetzes angekündigt hatte. Allein in den Mercedes-Werken demonstrierten 63.000 Menschen ihren Unmut. Im größten Mercedes-Benz-Pkw-Werk in Sindelfingen beteiligten sich allein rund 16.000 Beschäftigte an den Aktionen. In Stuttgart-Untertürkheim, wo Mercedes seine Pkw-Motorenproduktion konzentriert hat, nahmen nach Gewerkschaftsangaben bis zu 10.000 Arbeiter an den Protesten teil. Mit Arbeitsniederlegungen im Rüsselsheimer Stammwerk der Adam Opel AG legten am Vormittag rund 12.000 Beschäftigte die Produktion lahm. Bei Ford in Köln versammelten sich etwa 10.000 Arbeiter zu einer einstündigen Protestkundgebung. Der Betriebsrat forderte noch an diesem Dienstag von der Konzernleitung eine Erklärung zur Lohnfortzahlung für kranke Beschäftigte. Andernfalls werde die Wochenendarbeit verweigert. Bei Opel in Bochum ließen die 15.000 Beschäftigten die Produktion für einen Tag stillstehen.

Siemens und Audi bleiben vorerst bei einer 100prozentigen Lohnfortzahlung für kranke Arbeitnehmer. Die Firmenleitungen verständigten sich mit den Gesamtbetriebsräten auf ein vorläufiges Verfahren, wonach 20 Prozent der ausgefallenen Zeit auf separaten Zeitkonten erfaßt werden. Erst nach Klärung der Rechtslage oder nach neuen Tarifabschlüssen solle über das weitere Vorgehen entschieden werden. Die Regelungen bei Siemens und Audi orientieren sich am Beispiel von BMW. Siemens, mit mehr als 200.000 Beschäftigten im Inland zweitgrößter privater Arbeitgeber, wich damit von seiner bisherigen harten Position ab.

Auch Porsche bleibt bei der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Vorstandschef Wendelin Wiedeking sagte in Paris: „Solange die Tarifverträge nicht geändert werden, werden wir auch nichts ändern.“ Nach seinen Worten gibt es in Deutschland den niedrigsten Krankenstand der Automobilbranche.

Der Daimler-Benz-Personalvorstand Manfred Gentz bezeichnete die Arbeitsniederlegungen und „von den Gewerkschaften organisierte Streiks“ als nicht rechtmäßig. Nach Ansicht der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sollten im Streit um die gekürzte Lohnfortzahlung Tarifverträge eingehalten werden. Der neue BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner warnte die Gewerkschaften vor Arbeitskämpfen, solange Friedenspflicht bestehe. Reportage Seite 5

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen